Musik_Compilation Control Vol. 4

Ganz schön klassisch

"Unclassics" gräbt Obskures wieder aus, "Protestsongs.de" den deutschen Liedprotest, "Atömström" schwedische Newcomer. Und Mr. Weatherall war in der "Fabric".    26.11.2004

 

Christoph Prenner

V/A - Unclassics

ØØØØ 1/2


Environ/Ixthuluh (USA 2004)

 

"Obscure Electronic Funk & Disco 1978-1985". So steht das da auf dem Albumcover, als aufklärender Untertitel quasi. Das ist dann auch gleich eine der raren Infos, die man über diese Compilation und die darauf vertretenen - obskuren! - Tracks und deren Verfasser auf die Schnelle in Erfahrung bringen kann. Weiter hilft einem da schon die Information, daß die Compilation von Morgan Geist gemixt wurde. Denn Geist zeichnete schon als Hälfte von Metro Area mit phänomenal guten Tracks dafür hauptverantwortlich, daß Disco und Electro aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern entschmuddelt und in upgedateter Version in den Clubs dieses Planeten wieder salonfähig wurden.

Da ist es nur konsequent und sinnvoll, daß er auf seinem eigenen Label Environ längst verschollen geglaubte Perlen dieser Zeit in bester Sound-Archäologen-Manier aus Archiven ausgrub und wieder zugänglich machte.

Die vorliegende Compilation versammelt diverse Singles-Beiträge zum funky rollenden Retro-Tanzspaß, wobei die Namen der Beteiligten (Eurofunk, Purple Flash, Zodiac etc.), wie erwähnt, wohl nur noch Zeitzeugen etwas sagen werden. Was aber auch völlig egal ist, wenn die sich zwischen Proto-Synth-Pop, Italodisco und Future Funk bewegenden Tracks so arschwackelpflichtig aus den Boxen schießen und damit quasi auf dem zweiten Bildungsweg zu "Classics" werden. Unbedingte Empfehlung.

 

Links:

Andrew Weatherall - Fabric 19

ØØØØ


Fabric/Ixthuluh (GB 2004)

 

So, so: "The god of indie dance serves up his second mix", wird einem bei "BBC Online" aufs Aug gedrückt. Ganz abgesehen davon, daß die Datenbank für elektronische Musik, "Discogs" (siehe Link unten), unter Andrew Weatherall bereits ganze sechs Alben ausweist, stimmt das aber schon, das mit Gott und Indie und Dance. Denn daß der Mann Geschmack hat, braucht man wohl niemandem mehr zu erklären. Erstaunlich, wie sich der eine der beiden einsamen Schwertkämpfer über die vergangenen eineinhalb Dekaden immer wieder neu definieren konnte und im schnellebigen Pop-Geschäft dabei doch nie seine Wurzeln aus den Augen ließ. Und die waren nun einmal immer im Acid-House/Rave-Movement der auslaufenden Achtziger zu finden. Keine große Überraschung also, daß sich Weatherall ein halbes Jahr nach den ultradüsteren New-Wave-Anleihen des tollen letzten Two-Lone-Swordsmen-Albums "From the Double Gone Chapel" dieser Roots auf seinem Beitrag zur "Fabric"-Reihe wieder besinnt. Wie auch nicht anders zu erwarten war, ist die CD eine, die Birne und Beine gleichermaßen wohlig zucken läßt. Der Mix baut sich aus zumeist dreckigen House- und Electrotracks mit leichter Schlagseite zum obskuren Abstecher zusammen, ohne dabei auch nur einmal die Spannungskurve nach unten sinken zu lassen, und drückt genau dann, wenn er drücken soll. Und genauso soll das auch sein.

 

Links:

V/A - Atömström

ØØØØ


Panatomic/Ixthuluh (D 2004)

 

"The Great Röck´n´Röll Svendle, Part One", verspricht der Schweden-Rock-Sampler "Atömström". Keine Frage, mit Humor wird hier nicht gespart. Mit guter Musik aber zum Glück auch nicht. Nun wäre aber das Ansinnen, gerade den Lesern dieses Mediums nordische Rockhoffnungen noch näher bringen zu wollen als ohnehin schon, in etwa so sinnvoll, wie Eulen nach Athen oder Smörebröd nach Stockholm zu tragen (um auf dem hohen Humor-Level zu bleiben). Nichstdestotrotz bietet die von Henning Furbach (Atomic Café, München) kuratierte Zusammenstellung einen fundierten Überblick über das (alternative) Musikschaffen Schwedens, das weder auf mittlerweile in den Charts etablierte Größen (The Hives, Mando Diao, TINC, Moneybrother, Eskobar) noch auf unbekannte, zum Teil außerhalb ihres Heimatlandes sogar noch unveröffentlichte Musiker (The Motorhomes, Shout Out Louds) verzichtet. Kurzum: Wer sich in eine der derzeit vitalsten Musikszenen einhören oder sich weiterinformieren möchte, ist hier genau richtig.

 

Links:

V/A - Protestsongs.de


BEWERTUNG: -

Lieblingslied Records/edel (D 2004)

 

Der Titel ist eigentlich ein selbsterklärender: Auf dieser Doppel-CD geht es um gesungenen Protest deutscher Zunge. Daß dessen Ziele so mannigfaltig wie das Leben selbst sind und es deswegen natürlich unmöglich ist, die 43 vertretenen Beiträge (deren Auswahl wiederum auch sehr selektiv war) auch nur unter irgendeinen Hut zu bringen, ist evident.

Doch erst der direkte Vergleich macht sicher, wie verschieden denn die Herangehensweisen und erst recht die Ergebnisse sind und über (die hier repräsentierten vergangenen 60) Jahre waren. Da trifft man den großen Funny van Dannen genauso wie Otto, BAP wie Ton Steine Scherben, Helge Schneider wie Nena, Ernst Busch wie die Lassie Singers. Übliche Verdächtige wie Die Ärzte, Die Sterne, Slime, Die Goldenen Zitronen oder den Söllner Hans findet man ebenfalls, Blumfeld oder Die Toten Hosen allerdings nicht. Die Beiträge schwanken jedoch so brutal zwischen gut, böse (Wolf Maahns "Tschernobyl", Nicole etc.) und obskur (Joseph Beuys!), daß dem Schreiber dieser Zeilen ein Urteil - genauso wie generell eine umfassende Auseinandersetzung mit der Thematik innerhalb dieses Kurztextes - unmöglich erscheint. Interessierten sei aber ein abwägender Blick in Tracklist und Pressetext (beides nachlesbar via untenstehender Links) ans Herz gelegt.

 

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