Dashiell Hammett war nicht nur der wahrscheinlich bedeutendste "Hardboiled"-Autor des 20. Jahrhunderts, sondern auch eines der Opfer von Senator McCarthys antikommunistischer "Hexenjagd". Krimiexperte und EVOLVER-Autor Martin Compart läßt in seinem Feature die historischen Protokolle für sich sprechen.
"Wie Hemingway war auch Hammett ein Meister des nicht Ausgesprochenen - der Raum zwischen den Sätzen war es, der die eigentliche Geschichte erzählte. Hammett erfand eine Art Hard-Rock-Poesie, die im Grunde keine Entsprechung in Amerika hatte... Die Vorväter Hammetts sind nicht Poe und Conan Doyle. Es sind Rimbaud und Baudelaire, Dichter, die den surrealen Charakter des Lebens in der Stadt erfaßten."
Jerome Charyn in Einleitung zu "Dunkle Engel"
André Gide hielt ihn für einen ebenso guten Schriftsteller wie Balzac; Albert Camus verehrte ihn; Wim Wenders verfilmte einen Roman, dessen Hauptperson er ist. Die Rede ist von Samuel Dashiell Hammett, einem der einflußreichsten und besten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er gilt als der Begründer der "hardboiled novel", also des harten Kriminalromans, den er auf höchstes literarisches Niveau führte. Seine ersten Geschichten erschienen in den 20er Jahren in den Pulp-Magazinen, bevor er zwischen 1929 und 1934 die fünf Romane vorlegte, die seinen Weltruhm begründeten: "Rote Ernte", "Der Malteser Falke", "Der Fluch des Hauses Dain", "Der gläserne Schlüssel" und "Der dünne Mann".
Die amerikanischen Pulp-Autoren um Hammett, deren berühmtestes Organ das "Black Mask"-Magazin war, griffen eine neue Sprache auf: die Sprache der Straße, die Sprache der Verlierer, Arbeiter, Gangster und Geschäftemacher. In dieser Sprache stellten sie realistisch eine Welt dar, die brutal, unmenschlich und nicht mehr zu beherrschen war. Meist agieren in diesen Geschichten Detektivhelden, die versuchen, Gerechtigkeit im kleinen zu erkämpfen; dabei sind sie aber nicht einmal der stete Tropfen, der den Stein höhlt...
Bereits Hammett glaubte nicht mehr an Gerechtigkeit im Mikrokosmos und wurde zum Chronisten der Düsternis der Städte. Autoren wie Hemingway in "A Farewell to Arms" (1929), Faulkner in "Sanctuary" (1931) oder John O´Hara in "Appointment in Samarra" (1934) griffen Sprache und Weltbild der Hardboiled-Autoren auf.
Hammett beschrieb die Abkehr von allen zivilisatorischen Regeln, indem er seine Helden, die oft im Dienste des amoralischen Kapitals standen, zu Richtern, Geschworenen und Henkern gleichzeitig machte. Sein berühmter Nachfolger Raymond Chandler fiel in dieser Hinsicht hinter Hammett zurück, indem er romantisierte und einen staubigen Ritter die "mean streets" einer korrupten Zivilisation durchstreifen ließ. Ross Macdonald nannte den Chandlerschen Privatdetektiv den "klassen- und ruhelosen amerikanischen Demokraten".
Spätestens seit sich Humphrey Bogart Trenchcoat und Hut übergezogen hat, ist der abgebrühte Privatdetektiv ein popkultureller Mythos. In Tausenden von Romanen, Comics, Fernsehserien und Filmen singt man das hohe Lied vom ehrlichen Kleinstunternehmer, der sich nicht schmieren läßt und in einer korrupten Welt versucht, ehrlich zu bleiben.
Dashiell Hammett war selbst einmal Privatdetektiv bei der berühmten Pinkerton-Agentur gewesen. Diese Erfahrungen prägten nicht nur seine späteren literarischen Themen, sondern auch die politische Einstellung, die den zweifachen Weltkriegsveteranen für sechs Monate ins Gefängnis brachte.
"In meiner Zeit bei Pinkerton´s habe ich so etwas wie politisches Bewußtsein entwickelt", erzählte er später. "Pinkerton´s war gut darin, Streiks zu brechen und Gewerkschaften zu zerschlagen. Ich habe einfach Aufträge erledigt, und wenn unsere Klienten Menschenschinder waren, ging mich das nichts an. Sie heuerten uns an, um einen Streik zu brechen, also gingen wir hin und machten es. Wir hatten reichlich schmutzige Tricks auf Lager. Einmal ließ ich mich sogar ins Krankenhaus einliefern. Ich tat so, als wäre ich ein Gewerkschaftler und ein paar Pinkerton-Detektive hätten mich fertig gemacht. Ich machte das nur, um neben einem armen Kerl zu liegen, den wir als Radikalen verdächtigten. Der Bursche war schlimm dran. Furchtbar krank mit lauter Schmerzen. Und da lag ich neben ihm und versuchte alles mögliche aus ihm rauszuquetschen. Ich hielt mich für einen tollen Burschen.
Das war oben in Montana, als die Industriearbeitergewerkschaft den Bergarbeiterstreik bei den Anaconda-Kupferminen organisierte. Frank Little war der große Gewerkschaftsorganisator, und die Anaconda-Leute haßten ihn wie die Pest. Einer der Manager hatte von meiner Sache im Krankenhaus gehört. Niederträchtig wie er war, mußte ihm das imponiert haben. Jedenfalls machte er ein Treffen mit mir aus und meinte, es gäbe für mich was zu verdienen. Er bot mir 5000 Dollar an, wenn ich dafür Little umlegen würde. Ich war also jemand, von dem sie glaubten, daß er für ein paar Dollar einen Menschen umlegen würde. Ich war 23 Jahre alt und sah aus wie ein Killer. Ich sagte ihnen, ich sei nicht interessiert. Ein paar Tage später fand man Little tot an einer Eisenbahnbrücke hängen. Sie hatten eine Warnung an seine Unterwäsche geheftet. Manche sagten, sie hätten ihm die Eier abgeschnitten. Ich sagte mir: 'Du bist also einer, dem sie zutrauen, daß er solche Sachen macht.' Ich ging weg von Pinkerton´s. Ich nahm meinen Tripper, den ich mir in der wilden Weite von Montana eingefangen hatte, und ging zur Armee, um mir noch eine schöne Tuberkulose zu holen. Über die Streiks hatte ich eine ganze Weile nachzudenken. Montana hat mich zum Kommunisten gemacht."