Fortsetzung...

"License to Live" zeigt auf äußerst liebenswerte Art das Abhandenkommen traditioneller Familienwerte, ohne dabei jedoch die Entwicklung vom eingegliederten Familienmitglied zum egoistischen Individuum, für das hauptsächlich das eigene Wohl im Vordergrund steht, an den Pranger zu stellen. Als es Yoshii im Film für kurze Zeit gelingt, die Familienordnung wiederherzustellen, ist das nichtsdestotrotz ein sehr bewegender Moment - sowohl für ihn als auch für den Zuschauer.

Am 26. Februar 2000 kam schließlich Kurosawas "Charisma", ein Film, den man wohl am ehesten als Öko-Selbstfindungsdrama bezeichnen kann, in die japanischen Kinos. Er erzählt die Geschichte des Polizisten Yabuike (Koji Yakusho), der von seinem Vorgesetzten auf Zwangsurlaub geschickt wird, nachdem bei einer Geiselnahme durch sein Eingreifen sowohl Opfer als auch Täter ums Leben gekommen sind. Yabuike strandet auf seiner Fahrt ins Grüne in einem kleinem Dorf, wo ihm inmitten der kauzigen Bewohner per Handy seine Kündigung mitgeteilt wird. Scheinbar ziellos durchstreift er daraufhin das umliegende Wäldchen, bis er einen einsam gelegenen, seltsam geformten Baum entdeckt, um den herum der Wald zu sterben scheint. Fortan dreht sich alles nur noch um das Überleben dieses Baums - der von seinem Beschützer (Hiroyuki Ikeuchi) Charisma genannt wird. Ob der Baum jedoch nur ein Baum ist oder der Film vielmehr vor Symbolismus nur so strotzt, muß jeder selbst entscheiden...

"The Film contains various elements, so please don´t worry too much by sticking to only one element. Laugh when you hit funny scenes, enjoy action scenes. While you enjoy each scene, the last will come in due course. If you feel like thinking about the film after it is over, please do so." (Kiyoshi Kurosawa in einem Interview zu "Charisma", zu finden auf der offiziellen Film-Homepage)

"Charisma" ist wohl Kurosawas persönlichster und zugleich schönster Film, um dessen Verwirklichung er jahrelang bangen mußte. Schon zu Beginn weiß man, daß einen hier kein Kinodurchschnitt erwartet; immerhin hat der Geiselnehmer nur eine einzige Forderung: "Sekai no hosoku" - Stellt die wahre Ordnung der Dinge wieder her. Wie schon bei "License to Live" stehen auch hier der Mensch und sein Verhalten im Vordergrund. Der Regisseur liebt es, scheinbar alltäglichen Ereignissen etwas Mystisches anhaften zu lassen und konfrontiert seine Protagonisten stets mit Situationen, die ihr weiteres Leben von Grund auf verändern sollen. Im Laufe des Films begeben sie sich auf eine Art Odyssee, an deren Ende sie oftmals ihr wahres Ich zu finden scheinen - sozusagen ein ungewollter Selbstfindungs-Trip.

Kiyoshi Kurosawas nächstes Projekt – "Kairo", ein "Cyber-Kaidan" Film, in dem einige Webfreaks von Internet-Geistern heimgesucht werden - soll übrigens wieder vom japanischen Produktionsriesen Daiei finanziert werden. Es ist höchst erfreulich, daß man diesem bemerkenswerten Regisseur endlich den ihm gebührenden Tribut zollt und seine Werke jetzt auch die Chance haben, ein internationales Publikum zu erreichen. In Frankreich haben einige Kurosawa-Filme bereits einen Verleih gefunden, doch unsereins wird sich wohl noch eine Zeitlang mit diversen Festival-Screenings begnügen müssen. Schade eigentlich...

Der Autor möchte sich an dieser Stelle bei den folgenden Personen und Institutionen für ihre Unterstützung bedanken: Stephen Lan von der Cinematheque Ontario/Toronto Film Festival (http://www.bell.ca/filmfest) - und Keiko McNicoll in Japan, die unter anderem als übersetzender Engel fungierte.



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