Fortsetzung...

Auch als Uusitalo (Album "Vapaa Muurari" auf Force Inc.) versteht es Delay in äußerst eleganter Form, keinen Sound überflüssig oder redundant erscheinen zu lassen, jeder Partikel steht für sich und seine Funktion im Track, doch nie allein da. Mille Plateauxs Spielwiese für cluborientiertere Elektronik nennt sich Force Tracks, und auch hierfür hat Delay als Luomo mit "Vocalcity" ein absolutes Referenzalbum geschaffen. Als ob es das einfachste auf der Welt wäre, Ansatzpunkte von House, Disco, Dub und Techno (ohne Samples!) zu einem derart facetten- und zitatenreichen Ganzen zu verknoten. Zum einen wirkt "Vocalcity" durch den Einsatz von Stimmen und Echoeffekten organisch und vertraut und weckt Sehnsüchte, zum anderen ist sie durch die minimalen Strukturen doch wieder kühl, distanziert und abstrakt: "I guess you make me warm when you do the harm" (aus "Tessio") - der ganz normale Dualismus, zum Heulen schön. Vertrauen sie diesem Mann, denn er weiß, was er tut.

Das weiß definitiv auch Jori Hulkkonen, Vorreiter und Godfather der finnischen Houseszene. Nach Produktionen unter dem Pseudonym Bobby Forester debütierte er 1996 mit dem Album "Selkäsaari Tracks" auf Laurent Garniers F-Communications. Nach einem weiteren Album ("The Spirits Inside Me") gelang Hulkkonen 2000 mit dem kryptisch betitelten "When No One Is Watching You Are Invisible" (inklusive den herausragenden Stücken "Back When We Was Attached" und "Let Me Luv U") der endgültige kommerzielle Durchbruch. Weit weniger kryptisch gestaltete sich das Album aus musikalischer Sicht: sehr einnehmende Housetracks, gut gewürzt mit sonnendurchfluteten Dub-, Downbeat- und Bossa Nova-Elementen. Sehr geschmeidig, sehr deep, sehr mondän. Zuletzt erschienen: "Helsinki Mix Sessions" und die Zusammenarbeit mit Alexkid "Duets Vol. 1". Weitere Beispiele dafür, dass in der Kälte der finnischen Tundra nicht nur akustische Bahnschranken, sondern auch richtig stimmungsvolle und upliftende Clubmusik produziert wird, sind das DJ-Kollektiv Nu Spirit Helsinki und der nach Frankfurt emigrierte DJ Sasse alias Freestyle Man. Beide entstammen dem Umfeld von Function Recordings, dem neben Sähkö wohl wichtigsten finnischen Label für elektronische Musik, bekannt eventuell durch die Compilation "Sauna Connections".

Allerhand gäbe es noch zu erzählen über die finnische Klangtüftler und Knöpfchendreher, über diverseste Verkettungen und Verwirrungen, bestätigte und ungerechtfertigte Zuschreibungen, über die quer durch das Schaffen beinah aller Künstler bemerkbare Melancholie oder über vereinzelten Eskapismus aus den kalten Gefilden (Tenor und Pan Sonic produzieren mittlerweile in Barcelona). Künstler wie Aavikko, Pepe Deluxe (die mit dem Hit aus der Jeanswerbung), Monoformia, Giant Robot oder der sehr bemerkenswerte Intelligent-Lounge-Tüftler Timlin wurden noch nicht einmal erwähnt (was hiermit auch getan wäre). Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es neben Nokia, Skispringern, Blackmetal und Willi Lichts Goth-Pop-Workshops eine zwar noch überschaubare, keineswegs aber übersehbare Szene an äußerst produktiven, qualitativ hochwertigen Künstlern aus dem reichhaltigen Pool elektronisch generierter Musiken gibt. In diesem Sinne (frei nach Hulkkonen): wenn denen jemand zuschaut, sind sie auch nicht mehr unsichtbar.

10 Platten-Tips:

Jimi Tenor – Intervision (Warp)
SF 1997
brothomStates – Claro (Warp)
SF 2001
Jori Hulkkonen – When No One Is Watching We Are Invisible (F Com)
SF 2000
Ovuca – Lactavent (Rephlex)
SF 1999
Panasonic – Vakio (Sähkö / Blast First)
SF 1995
Op:l Bastards – The Job (Form & Function)
SF 2001
Vladislav Delay – Multila (Chain Reaction)
SF 1999
Vladislav Delay – Anima (Mille Plateaux)
SF 2001
Luomo – Vocalcity (Force Tracks/Ixthuluh)
SF 2000
Timlin – Landing On Planet T (Punkt Music)
SF 2001



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Die spin:en, die Finnen ;)
(matti, 31.03.2002 21:58)