Fortsetzung...
So etwas wie die Väter der finnischen (und bis zu einem gewissen Grad auch der europäischen) Störgeräuschelektronik und Soundforschung experimenteller Denk- und Machart sind wohl Ilpo Väisänen und Mika Vainio alias Pan Sonic. Noch unter dem alten Namen Panasonic (unter dem man bis zu einem Corporate-Identity-Rechtsstreit mit dem japanischen Elektronikwarenhersteller 1997 veröffentlichte) erschien im Herbst 1995 "Vakio" (Sähkö / Blast First), ein wahres Monument von einem Album, nicht nur aufgrund der Ausstattung als Vierfach-Vinyl. In einer äußerst feinsinnigen Herangehensweise wurden Tracks bis auf ihre nackte Struktur runterskelettiert, Klänge verfremdet und multipliziert, Frequenzen moduliert, fertige Konstrukte wieder durch den Sequencer gejagt, bis schließlich so etwas wie ausgetrockneter Elektro-Ambient und toxisch verseuchter Breakbeat-Wahn dabei rauskam. Fortschreitende Dekonstruktion, auf strikt analogem (und teils selbstgebautem) Equipment live recorded, das war schon was. Electronic Listening hat man das dann mit einem reichlich unschönen Wort bezeichnet. Väisänen und Vainio konnten solche Begriffe sowieso wurscht sein, wurden sie doch alsbald auf der ganzen Welt als avantgardistisches Aushängeschild der Elektronikszene hofiert, durften auf der Ars Electronica in einem fahrenden Zug auftreten und Suicides Alan Vega mit einer Kooperation helfen, auf eben so einen aufzuspringen. Als ob sie bei ihren wirklich phänomenalen Liveauftritten die Credits noch nötig gehabt hätten. Neben drei weiteren Alben als Pan Sonic ("Kulma" 1997, "A" 1999 und "Aaltopiiri" 2001, allesamt auf Blast First) und ungezählten Remixarbeiten und Kollaborationen veröffentlichten Ilpo Väisänen (die LP "Asuma" auf dem Wiener Label Mego) und Mika Vainio (unter den Pseudonymen Ø und Tekonivel) auch noch Soloarbeiten.
Einen vergleichbaren Rechtsstreit wie den ihrer Landsleute wollten sich die Op:l Bastards wohl ersparen und ließen deswegen das „e“ in ihrem Bandnamen sicherheitshalber gleich weg. Sich ebenfalls eines strikt analogen Geräteparks bedienend, kochen T. A. Kaukolampi, Vilunki 3000 und Tuomo Puranen auf ihrem Album "The Job" (Form & Function) an einem scheinbar sehr hippen Gebräu aus überdrehtem Electro-Funk und 80ties-Synth-Pop-Verweisen. Das kommt manchmal wirklich geradlinig und uprocking daher (die Band ging u. a. aus der Obskur-Rockkombo Larry & The Lefthanded hervor) - wie bei "Scorpius", einem der Tanzflur-Kracher dieser Saison, meist jedoch ziemlich uninspiriert, manchmal gar ganz schlimm wie bei der Neubearbeitung des Electric-Light-Orchestra-Verbrechens "Don‘t Bring Me Down". Fuchs, du hast die Gans gestohlen. Ähnlicher Zutaten bedienen sich auch die aus Turku stammenden Herren Metsätähti und Peltonen alias Mr. Velcro Fastener. Auch hier alles im Zeichen des Retro mit oldskooligen Basslines und dem tiefgreifenden Verlangen, keine Gesangslinie ohne Vocodereinsatz verstreichen zu lassen. Munter, bunt, poppig, zufrieden: "Lucky Bastards Living Up North" (i220). Von wegen Winterdepression.
Vladislav Delay (bürgerlich Sasu Ripatti) ist wohl nicht nur dem Schreiber dieser Zeilen in den letzten beiden Jahren ans Herz gewachsen. Nach seinen ersten Veröffentlichungen auf dem schwedischen Label Sigma war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch renommierte Elektronikwerkstätten dieses talentierten jungen Mannes annehmen würden. So waren es Mark Ernestus und Moritz von Oswald höchstpersönlich, die auf ihrem Label Chain Reaction seine 12-Inch-Releases "Huone" und "Ranta" unter dem Titel "Multila" wiederveröffentlichten. Beinahe im Monatstakt erschien daraufhin ein kleines Meisterwerk nach dem anderen. Delay bediente sich dabei sehr geschickt der labelinternen musikspezifischen Aufteilung von Mille-Plateaux/Force-Inc, um unter verschiedenen Decknamen verschiedenster Spielweisen intelligenter und substantieller Elektronik nachzugehen. Auf Mille Plateaux wurden als Vladislav Delay auf den LPs "Entain" und "Anima" (aus einem einzigen durchgehenden Track bestehend) Dub- und Techno-Spuren bis aufs äußerste Minimum reduziert, ausgedürrt und in einen eisig-pulsierenden, ambienthaften Flow übergeführt, aus dem sich vereinzelt Sound- und Looppartikel herausschälen, die den Track in andere Strukturen, Klangräume und Stimmungen überführen. Karg und minimalistisch wirkt das (hier könnte die Zuschreibung zur finnischen Flora doch wieder greifen) zunächst, doch nach und nach kristallisieren sich Momente absoluter Klarheit heraus, ein bunt waberndes Glühen erfüllt den Raum und Wärme trieft in ausgekühlte Klangfelder. Zum Verwahren in der Schublade: Minimal Techno kann man das nennen.
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