The New Blockaders ist das Hauptpseudonym der Brüder Richard und Philip Rupenus aus dem hohen Norden Englands. Gegründet im Jahr 1980, verstand sich die Band von Anfang an als klare Antithese zur „Kunst“-Idee. Ihre oberste Maxime: so weit wie möglich vom traditionellen Musikbegriff wegzukommen und Alltagsobjekte als Klangquellen zu mißbrauchen. Das Resultat: eines der radikalsten Avantgarde-Projekte aller Zeiten.
"Even Anti-Art is Art and that is why we reject it" ist der Hauptsatz des "New Blockaders Manifesto", das die Band als oberste Maxime ihres kreativen Schaffens in den frühen Achtziger Jahren veröffentlichte. Jede Form von Kunst sei per definitionem ein Akt der Bourgeoisie und aus diesem Grunde abzulehnen. Blockade bedeute Widerstand und dieser sei notwendig, um die Vergangenheit ruhen zu lassen und neue, freie Formen von Kunst und Dasein zu begründen. "We are the modern Alchemists. Let us demolish stabilty, tradition and security. We will invent new systems, new futures, new languages, new ways of living and thinking."
Mit diesem radikalen Pamphlet sorgten die Rupenus-Brüder in der damaligen Kunstszene für einen gewaltigen Wirbel. "Alien Brains" hieß dann ihr erstes anti-musikalisches Projekt, das etliche Kassetten in kürzester Zeit herausbrachte, um sich wenig später in "Funeral Dance Party" und später "Bladder Flask" umzubenennen. Mit "Changez Les Blockeurs" erschien im Jahr 1982 die erste Platte unter dem Namen "The New Blockaders", zwei Jahre darauf die Kollaboration mit dem Londoner Lehrer David Jackman alias Organum, "Pulp".
Diese ist nun gemeinsam mit zwei weiteren Zusammenarbeiten namens "Wrack" und "Raze" erstmals auf CD erhältlich. Ursprünglich in einer Auflage von nur 279 Stück erschienen, wurde "Pulp" im britischen Musikmagazin Sounds als "der wahre Underground" zur Single des Monats Dezember 84 gekürt. David Jackman hatte zuvor schon fünf Jahre lang Kassetten unter seinem eigenen Namen veröffentlicht und hier zum ersten Mal den Namen Organum als Pseudonym verwendet (siehe EVOLVER-Rezension).
Die genannte Single gehört mit Sicherheit zu den radikalsten Platten, die jemals veröffentlicht worden sind. Über einem stehenden Brummton klirrt, scheppert und kracht es so gewaltig, daß man das Gefühl bekommt, man stehe an einer Baustelle, an der regelmäßig Metalltrümmer und Eisenplatten aneinandergeschoben werden. Zur Freude des Noise-Liebhabers finden sich auf dem CD-Reissue fünf verschiedene Versionen des Stückes, von denen keine auch nur ein klein wenig behutsamer klingt als das Original.
Wer nun denkt, dem Lärm bisher könne keine Steigerung mehr nachfolgen, der wird sehr schnell eines Besseren belehrt. "Wrack", entstanden im Jahr 1991, ist wahrscheinlich die extremste aller Zusammenarbeiten der beiden Bands. Von diesem Stück finden sich hier vier Versionen wieder, von denen ebenfalls zwei bisher unveröffentlicht waren. Mit "Raze" wird das Trio der infernalischen Singles dann fast schon versöhnlich abgerundet, und wer sich bis hierher ans Ende der CD durchgekämpft hat, der bekommt noch ein unbetiteltes Stück als Draufgabe.
Alles in allem ist diese CD ein wichtiges Zeitdokument, das an der Pionierrolle der genannten (Anti-)Künstler keinen Zweifel aufkommen läßt. Wenn man bedenkt, daß der Japaner Masami Akita mit seinem Noise-Projekt "Merzbow" in den Neunzigern fast schon so etwas wie Berühmtheit erlangen konnte, ist es doch wichtig zu wissen, daß es solche "Musik" auch schon fünfzehn Jahre früher gegeben hat. Noch dazu hatten die damaligen Protagonisten der Szene auch eine klare Botschaft zu übermitteln, während Akitas Hauptanliegen darin liegt, im Guiness Buch der Rekorde einen Eintrag als produktivster Musiker aller Zeiten zu bekommen.
Eine Herausforderung ist diese CD allemal, auch über zwanzig Jahre nach ihrem ursprünglichen Erscheinen. Und das muß den beiden Künstlern wirklich erst einmal jemand nachmachen!
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