Ein Jahr ist seit Phonems (a. k. a. Elliot Perkins) letztem Release (Hydro Electric auf Morr) vergangen. Ist wirklich alles beim Alten geblieben? Sein knarziger Samplepool samt endlosem Harmoniereigen bestimmt nach wie vor das Geschehen. Trotzdem sollte auch diese Scheibe in keiner Elektronik-Sammlung fehlen.
Auch wenn Phonems nunmehr drittes Album für Morr Music keine neuen Akzente im Bereich des IDM setzt und auf völlig vertraute Konstruktionen setzt, kann man sich der Soundqualität nicht so ohne weiteres entziehen. Die Zusammenarbeit mit Meister Arovane hinterläßt hier deutliche Spuren, und wer ihr Joint-Venture "Aer(Valid)" (siehe EVOLVER-Review) gehört hat, weiß, was gemeint ist.
Die Sounds mögen also zum Verwechseln ähnlich geblieben sein. Was sich weiterentwickelt hat, ist die Aufbereitung: Die Stücke auf "Ilisu" wirken freier, die Melodien wachsen über sich selbst hinaus, alles wirkt geschmeidiger, eleganter, noch mehr stereo. Oder anders gesagt: dem Production Design widerfuhr ein deutliches Streamlining und eine gewisse Anhäufung an Detailreichtum.
Ein Streamlinig, wie es auch Arovane praktiziert - manchmal weiß man ja gar nicht genau, welche CD gerade läuft, Phonems neue oder Arovanes "Atol Scrap". Soll heißen: Wer Phonems ältere Releases nicht kennt, wird mit dem neuen Album bestens bedient - und genauso jene, die die frühere Arbeit Arovanes schätzen. Fast ein Clou, oder?
Elliot Perkins, der begeisterte Taucher, hegt neuerdings auch politische Ambitionen. Auf dem Cover findet man eine kritische Abhandlung über den umstrittenen Bau eines riesigen Staudammes namens Ilisu, der in der nordöstlichen Türkei entstehen soll - das größte hydro-elektrische Projekt, das jemals in der Türkei unternommen wurde. Von Unsummen, Korruption und Desinformation ist hier die Rede, Zwangsaussiedlung von Kurden und irreperable Umweltschäden werden notwendig sein, um einen Damm dieser Größe aus dem Boden zu stampfen, der maximal 50 Jahre halten wird.
Das mit den "politischen" Liner Notes ist leider so eine Sache: Auf Beta Bodegas "Coalition"-Projekt noch persifliert (für die Phonem getarnt als ein gewisser "Spike" Stücke einspielte), erscheinen sie auf Ilisu als unnötiges Beiwerk, ist doch Phonems Musik selbst von aller Politik befreit (bzw. erlöst). Wer also politischen Kontext hören will, sollte sich vielleicht mit Mark Stewart oder noch Ernsterem beschäftigen, allzu leicht kann politischer Anspruch als Plattitüde verebben.
Trotzdem: Ilisu ist für alle Hightech-Fans mit bretterharten Beats, kernigem Loophächseln und schnalzendem Seqeunzing jenseits der 160bpm-Grenze, meist untermalt von träumerischen (Unterwasser)-Melodien grandioser Schönheit, ein Muß. Für epileptisches Zucken genauso geeignet wie zum Aus-Chillen in der IDM-Lounge - das soll einmal wer nachmachen.
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