06-07-2000/Abteilung:
Literatur/Archiv
"Orgas"
und "Sexer" - die beiden Taschenbuchserien
des Franz-Decker-Verlags sorgten in den frühen 70ern vor allem
beim "starken" Geschlecht für heiße Ohren und feuchte Unterhosen.
Die beliebten Publikationen sogenannter Erwachsenenliteratur versprachen
allein durch ihre Aufmachung anregende Reisen in die Welt der Erotik.
Zumeist entpuppten sich die scharfen Appetitanreger amerikanischer Provenienz
jedoch als Übersetzungsnieten, die wahrscheinlich auch nicht immer
den gewünschten Effekt erzielten. Schnarch! Brutal drückte er sie ganz auf sich herab. Bis zur Wurzel drang sein Glied in sie ein, und Carter machte ihre Bewegungen mit, die sich verstärkten und von leisem Wimmern begleitet wurden. ("Sechs Betthasen für Carter", Sexer Nr. 15, S. 25) Die frühen 70er: rauh-romantische Balladen von Smokie für die Fräuleins; Härteres von Uriah Heep und Deep Purple für die jungen Herren. Und für beide gibt´s an den Schulen endlich Aufklärungsunterricht und sogar eine bunte Programmschiene im TV - "Spotlight" mit Peter Rapp. Im Kino treibt es der alte Antel an die Spitze und reitet (freilich nur für die reiferen Semester ab 18) recht munter auf der Sexwelle sowie auf der einen oder anderen Protagonistin derselben dahin, und in Wien öffnen die ersten Sexshops ihre Pforten. So ganz Mainstream wie heutzutage ist das alles natürlich noch nicht, aber immerhin schon Thema. Trotzdem, das meiste spielt sich - Sexwelle hin, Sexwelle her - nach wie vor im dunklen Kämmerlein ab; abgesehen davon ist alles auch noch ein bißchen schmierig, hat den Touch des Abartigen, des Perversen. Und gerade deshalb heizt es so manche feuchte Phantasie noch mehr an... Sein Glied war in ihr, bevor sie wußte, wie ihr geschah, und dann spürte sie nichts anderes mehr, als den gleichmäßigen Rhythmus, in dem sein großer, harter Penis sich reibend in ihr bewegte. ("David und sein Goliath", Orgas 60, S. 71) Sei´s im abgedunkelten Sexshop oder im hintersten Winkel eines Romancenters - Biedermanns Griff zu den Publikationen der Erwachsenenliteratur ist also (noch) ein versteckter und gleichermaßen verschämter. Nicht jeder soll mitkriegen, was man da mit nach Hause nimmt, schon gar nicht die geliebte Ehefrau. Die neuen Ausgaben von "Sexer" und "Orgas" liest Papa in der Hobbywerkstatt, und weil sich die Reparatur des Küchenmixers etwas schwieriger gestaltet als angenommen, hat er auch genügend Zeit dafür. Die liebende Gattin muß sich sowieso um den Haushalt, die Kinder und auch sonst noch allerlei kümmern, während - wie gesagt - unten im Hobbykeller dank dem Franz-Decker-Verlag die Post abgeht. Der in der Nähe Stuttgarts beheimatete Kleinverlag brachte vor allem Lizenzmaterial der legendären "Greenleaf Classics" aus San Diego heraus. Als eine der bekanntesten Publikationen dieses amerikanischen Verlags - der vor allem für seine Schwulen- und Vampirromane bekannt war - darf wohl "Orgy of the Dead", Ed Woods im Jahre 1966 erschienenes Meisterwerk der Trashliteratur, bezeichnet werden. Ungewöhnlicherweise ebenso im 66er-Katalog des kalifornischen Pulp-Spezialisten zu finden: eine Romanedition ausgesprochen "warmen" Inhalts, aus der Feder keines Geringeren als Jean Genet. Zur Veröffentlichung derart außergewöhnlicher Werke ließ sich der Decker-Verlag allerdings nie hinreißen, sondern setzte lieber auf den bewährten konventionellen Sex in unkonventioneller Umgebung. Motto: Toller Hecht - wenn möglich Spion, Weltraumfahrer oder Private Eye - wird mit einer stattlichen Anzahl williger Frauen konfrontiert; prinzipiell nagelt er alles, was ihm vors Rohr kommt, und zwar in jeder erdenklichen Art und Weise. Mit dem Frauenbild der damaligen Zeit lassen sich diese Inhalte wunderbar im Sinne des Mißverständnisses vereinbaren. Das "schwache" Geschlecht ist zwar ein bißchen weniger schwach als noch einige Jahre zuvor, aber letztendlich stößt diese restringierte Art der Gleichberechtigung schnell an ihre Grenzen. Denn wenn erst der "Gockola" zurück im Stall ist, heißt es Beine breit machen und die symbolische Interaktion auf ein Mindestmaß reduzieren. Sie hielt den Mund weit geöffnet, keuchte, röchelte und gurgelte, daß es ihm in den Ohren dröhnte. ("Tödliche Wollust", Sexer Nr. 1, S. 18) Vor dem starken Ladykiller kapituliert also selbst die härteste Puppe, und je härter sie war (oder vorgab zu sein), bevor sie angesichts eines in der Regel überdimensionalen Geschützrohrs die weiße Fahne hißt, desto lustiger und spannender gestaltet sich natürlich der anschließende Dressurakt. Bevor aber am Ende alles gut ausgehen, der diensthabende Fickheld sein stattliches Kaliber einpacken und Papa der Mama den reparierten Küchenmixer überreichen darf, muß allerdings noch so manches Feuerwerk an billigen Wortmalereien gezündet werden: Carter hatte das Gefühl, daß sein Glied durch sie hindurchdrang. Immer enger wurde der feuchtwarme Kanal, der seinen Phallus aufgenommen hatte und ihn zur Ejakulation zwang. ("Sechs Betthasen für Carter", Sexer Nr. 15, S. 25) Von den starken Auflagen der "Greenleaf Classics" konnte der deutsche Lizenznehmer Franz Decker allerdings nur träumen. Sei´s, daß die amerikanischen Originalvorlagen mehr Lesevergnügen ermöglichten oder der deutsche Markt zu klein für die rescheste Form der Erwachsenenliteratur war - gegen Mitte der 70er Jahre droht dem ambitionierten Nischenverlag haargenau das zu passieren, was keinem seiner standhaften Recken jemals auch nur annähernd zugestoßen wäre: langsam, aber sicher geht der Saft aus. Zudem bekommen die literarischen Hochleistungs-Lover höchst unerwartete Konkurrenz. Eine technische Innovation hält Einzug in die Haushalte und stellt so ganz nebenbei auf dem Pornomarkt (und nicht nur dort) alles auf den Kopf, was es auf den Kopf zu stellen gibt. Kurze Zeit später hat schließlich auch der strammste Draufgänger des Decker-Verlags in einem tapferen, aber ungleichen Kampf sein Pulver verschossen. Und Papa ... ja, der repariert nun, wann immer die Tücken der Technik unbarmherzig zuschlagen, im Hobbykeller den neuen Philips-Videorecorder. |
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