19-01-2001/Abteilung: Film

Die "German Wallace Wave" der Rialto Film gilt bis heute als eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Kinoserien. Genaugenommen hat sie, abgesehen von technisch bedingten Unzulänglichkeiten, im Trash-Museum nichts verloren - zumindest nicht auf den ersten Blick. Näher betrachtet, schaut die Sache schon anders aus: Trash-Inspektor r.evolver vom Evolver-Department riskiert einen Blick durch die Lupe...

"Lieber einen saftigen Krimi als Pseudokunst oder Filmlangweiler..."
(Alfred Vohrer)

Ein Blitz zerreißt die Dunkelheit, schaurige Rufe hallen durchs nebelige, nächtliche London, dicht gefolgt vom ersten Höhepunkt: Eine Gestalt löst sich aus der Dunkelheit, um ihr blutiges Werk zu vollenden. Ein grauenerregender Schrei katapultiert den Hook in Richtung Vorspann, und jetzt geht´s erst richtig los. Maschinengewehrfeuer weist den freudig erregten Rezipienten unmißverständlich darauf hin, daß er hundertprozentig im richtigen Film sitzt.

"Hallo, hier spricht Edgar Wallace!" tönt es noch, und schon hat der "Meister des Wahns" die Sinne an sich gerissen - Meister Edgars verwegene Heldenschar bläst für die Rialto-Film zum Sturm auf die Kinokassen, die sich in den Jahren 1959 bis 1972 mehr als dreißig Mal ordentlich füllen sollten...

Verwirrung ohne Ende

Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu vergeuden, betreten oben auf der Leinwand nacheinander (in besonders verwickelten Fällen auch gemeinsam) die Protagonisten die diffuse Bühne, auf der sich das verworrene Rätsel um so manchen maskierten Würger, Giftmörder und Peitschenmönch rasant exponiert. By the way: Viel Zeit bleibt dem Detektiv nicht, die Fäden zu entwirren - ca. 90 Minuten müssen wohl oder übel reichen. Und das ist, angesichts der Tatsachen, reichlich wenig. Immerhin hat der diensthabende Inspektor des klassischen deutschen Wallace-Streifens um einiges mehr zu tun als der Durchschnittsbulle der Traumfabrik. Viele seltsame Gesichter müssen memoriert, unzählige, scheinbar ins Nichts führende Fäden verknüpft werden, bevor das Rätsel um das Testament gelöst werden kann, der Mörder hinter Schloß und Riegel sitzt und parallel dazu das Herz der Angebeteten gewonnen ist...

Der Mörder ist (fast) nie der Kinski

Leider unterstützt die an sich simple Dramaturgie den Herrn Chefinspektor nicht unbedingt bei seiner Spurensuche. Von Minute zu Minute tummeln sich mehr und mehr eigenartige Gestalten in der Szene, die alle irgendwie verdächtig erscheinen - allen voran natürlich der unvergleichliche Klaus Kinski. Von sämtlichen Verdächtigen ist er stets der Verdächtigste und darum auch gemäß des obersten Genre-Gebots nahezu nie der Täter. Und weil nun mal gemeinhin bekannt ist, daß der Mörder in der Regel dort zu suchen ist, wo auf den ersten Blick Integrität und Tugend zu Hause sind, läßt sich die gewaltige Aufgabe letztendlich doch innerhalb des knappen Zeitkorsetts bewältigen.

Sei´s der spätere "Alte" Siegfried Lowitz, der damals noch jugendlich und frisch agierende Joachim "Blacky" Fuchsberger, Heinz Drache oder Horst "Harry, fahr den Wagen vor" Tappert - die rätselhaften Ereignisse klären sich trotz der mehr als verwirrenden Ausgangssituation zumeist von selbst. So einfach ist das im anfänglich schwarzweißen (und ab 1966 farbigen) Thriller-Universum am Themse-Ufer, das - so nebenbei bemerkt - das wahre London nie gesehen hat...

Der Gute

Aber nicht nur unheimliche Figuren bevölkern Meister Edgars wüsten zelluloidgewordenen Thriller-Kosmos, der Jahrzehnte nach dem Tod des Autors zum durchschlagenden Leinwanderfolg wurde. Auch so mancher positive Charakter belebte sonnigen Gemüts die düsteren Docklands, aber vor allem einer: der charmant und durchaus komisch agierende Ober-Sidekick Eddi Arent. Er war in erster Linie für die wohltuenden Tölpeleien zwischendurch zuständig - immerhin galt es, zeitweilig angegriffene Nervenkostüme rasch wieder zu sanieren, um auch den furchtsamsten Kinobesucher auf den letzten, alles entscheidenden Plot-Point einzustimmen: Wer ist der Mörder? Die Frage aller Fragen wurde übrigens auch für Pausenclown Arent zur Nemesis - zweimal entpuppte er sich überraschenderweise als krimineller Geist ("Der unheimliche Mönch", "Das Rätsel des silbernen Dreiecks").

Die Schöne

Aber nicht nur "Eddi Lustig" avancierte neben den zahlreichen Ober- und Unterinspektoren vom Scotland Yard zum Sympathieträger der Serie: Vor allem Bondgirl Karin Dor gelang es auch, als personifizierte Schön- und Reinheit zu punkten. Ihre schicksalhaften Begegnungen mit dem Bösen sorgten in erster Linie beim männlichen Publikum für Spannung, wenn auch zumeist in den unteren Körperregionen. Kaum verwunderlich also, daß der ultimative Überraschungsmoment in "Zimmer 13" für einigen Wirbel sorgte: "Karin Dor als schizophrene Mörderin, wo gibt´s denn so was!" ereiferte sich 1964 nicht nur die Boulevardpresse.

Apropos: Neben dem obligatorisch abstrusen Figurenkabinett war natürlich die Täterfrage der wichtigste Anreiz, den die Wallace-Streifen zu bieten hatten. Aus diesem Grund wurden die Schlußsequenzen der Drehbücher auch stets versiegelt im Berliner Bürotresor der Rialto-Film aufbewahrt. Eine Sicherheitsmaßnahme, die vor allem beim "Hexer" (1964) durchaus angebracht war: Neugierige Medienmacher boten den Schauspielern Unsummen für einen im wahrsten Sinne des Wortes todsicheren Tip...

Das Böse
Wie bereits erwähnt: Mit einer Ausnahme ("Das Geheimnis der gelben Narzissen"; 1961) heißt der Mörder mitnichten Kinski - trotzdem gelang dem Exzentriker mit der inspirierten Verkörperung des dubiosen "Andersbegabten" der Sprung in die internationalen Charts der Tunichtguts. Sein Talent zum irren Blick und zugleich zotig wie sanften Ausdruck erwies sich für seine späteren Engagements in Sergio Leones Italo-Western als durchaus förderlich. Eine weitere originelle Persönlichkeit auf Seiten des Bösen: der Austroringer Ady Berber, der als billiger Monsterersatz nicht nur der Maske viel Geld, sondern auch dem Publikum dann und wann den Grusel sparte. So genial sich Berber in "Die toten Augen von London" selbst verkörperte, so unfreiwillig komisch wirkte er beispielsweise als rhetorisch minderbemittelter Hausdiener in "Das indische Tuch" (1963). Und somit wären wir beim Thema Trash angelangt...

German Wallace
Wave

Links:
Rialto-Film

Bezugsquelle(n):
DVD/Video-Edition im Fachhandel
(Vertrieb: Kinowelt


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