Von Rammsteins Riefenstahl-Chic zu Fred Dursts Skater-Herrenrunden, vom Schlager-Pathos der Söhne Mannheims zum verschwitzten Bierzelt-Dunst der Bösen Onkelz - es ist verdammt muffig geworden auf dem Planeten Pop. Ein Rundumschlag von Christian Fuchs und Michael Lachsteiner.

Heeeereinspaziert, meine Damen und Herren! Willkommen im Megastore der totalen Beliebigkeit, wo die postmoderne Hölle endlich Wirklichkeit geworden ist: Anything goes, Baby. Dort drüben lungern die Deutsch-HipHopper herum, daneben sitzen ein paar Laptop-Frickler und langweilen das Auditorium mit Knöpfchendrehen, weiter hinten brüllen ein paar NuMetaller um die Wette, und in der Chillout-Kammer geben sich Noch-Immer-Raver und Downtempo-Fans den chemischen Gute-Laune-Terror. Heimelige Buena-Vista-Folkloristen stehen Rücken an Rücken mit Alt-Grufties, Jazz-Hippies und Alt-Rockern. Anything goes.

Laß mir meinen Geschmack, ich laß dir deinen, wir finden doch alle unsere kleinen Nischen, wo wir es uns bequem machen können. Unsere kleine Haltung, unseren Sound, der voll Spaß macht. Die Entscheidung fällt für sie/ihn am Eingang der Riesenkette XY oder bei der Wahl des Spezialplattenladens. Die Optionen sind mannigfaltig. Jennifer Lopez oder Dimmu Borgir. Alles ist super und damit scheißegal zugleich. Anything goes.

Jetzt, wo Simulations-Propheten wie Jean Baudrillard von vielen zum unhippen Plunder des letzten Jahrhunderts geworfen wurden, sind deren Schreckgespenster ausweglose Realität geworden.

Anything goes. Nichts geht mehr.

Mit Creed auf der Party?

Die Ausläufer der Jugendkulturen liegen zerfasert in der sozialen Landschaft und dienen nur noch dem Gespött und der Verachtung aller Altersgruppen. Ob Punk, Mod, Rocker, Neo-Exi oder sonstwas - der Null-Standpunkt ist chic, eine verlogene Variante der Toleranz gebiert täglich neue Wurschtigkeiten gegenüber der Basis, dem Gehalt einer Sache. Die Individualisierungsfalle schnappt zu und macht keine Gefangenen; wem jahrelang erzählt wird, er könne tun, was er will, der weiß am Ende nicht mehr, was er denn überhaupt tun möchte.

Aha, denkt sich vielleicht jetzt einer, da trauert jemand eventuell noch altmodischen Ideen von "Subversion" oder, noch schlimmer, "Rebellion" nach, da träumen zwei Märchenonkel von den 80ern, als noch so komische Begriffe wie "Underground" oder "Mainstream" herumschwirrten. Nein, meine Damen und Herren, so eine peinlich-nostalgische Blöße geben wir uns nicht. Als Durchschnittsnihilisten haben wir mit der Alles-ist-wurscht-Ära leben gelernt und uns auch unsere Ecken eingerichtet, picken uns aus dem großen, verfügbaren Kuchen die Rosinen, hier eine strange CD auf Warp-Records, dort ein futuristisches R´n´B-Album, dann wieder ein wenig Krach. Schulterzuckend nehmen wir hin, daß alle Kategorierungsversuche, den Planeten Pop noch in Sektoren zu unterteilen, obsolet geworden sind und das Umschreiben der Geschichte an der Tagesordnung steht. Wir haben nur ein Problem:

Seit es am Eingang zur endlosen Pop-Party keine Türsteher mehr gibt, mischen sich Leute in die Menge, die uns jeden letzten Rest gute Laune rauben. Noch schlimmer, diese Neuankömmlinge verdrängen die interessanten Gäste zusehends. Wo sich irgendwann mal rohe Grunge-Punks wie Nirvana tummelten, folgten Marketing-Gespenster und Trainspotter wie Pearl Jam oder Bush, und sogar mit denen lernten wir irgendwie leben. Aber dann folgten Creed. Kann man mit Creed noch auf derselben Party sein?



Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.