Fortsetzung...
Angesprochen ist hier etwa der Gitarrist Martin Spitzer. Obwohl mit 35 nicht mehr taufrisch im Geschäft, kann er - verglichen mit Grimmlingers Jazzfreunden in Rodaun - durchaus noch als musikalischer Jungspund gelten. In Sachen Swing ist Spitzer sowohl bei Swobodas Swing Trio wie in der Mainstream-Formation Jazzklusiv engagiert. Während man sich im Trio eher dem antiken Standardfundus verschrieben hat, sind bei Jazzklusiv auch modernere Klänge zu hören. Zwischen die frischen Swing-Interpretationen schleichen sich immer wieder poppige und groovige Nummern ein.
Mit Purismus kann Spitzer schließlich nichts anfangen. Obwohl er den Swing selbst gern spielt, ist er eher vielseitig interessiert - eine Grundeinstellung, die seiner Meinung nach für die meisten Nachwuchsmusiker gilt. Die jüngere Generation sei eben nicht allein auf einen Stil fixiert. Auch den Fetischismus um Authentizität hält der Gitarrist für den "falschen Weg". "Ich denke, daß Jazz eine Musik ist, die sehr stark aufs Individuum bezogen ist", philosophiert Spitzer. "Es würde eine Museumsmusik werden, wenn man ausschließlich sagt 'So, ich muß jetzt authentisch Swing oder Bebop spielen.' "
Der 61jährige Trompeter John Evers sieht dies ähnlich. Mit seiner Dixie- und Swingband Blue Note Six gehe es ihm eben nicht darum, "Museumspflege" zu betreiben; vielmehr wolle man "den Geist dieser Musik lebendig halten" und im Sinne der seeligen Meister spielen. Besonders die Häme der modernen Jazzer stört Evers. "Was soll man denn machen, wenn einem diese Musik gefällt?" fragt der Armstrong-Experte. "Darf man dann nicht?"
Laut Evers stünden sich Avantgarde- und Oldtime-Fundis hierzulande in fast feindlichen Lagern gegenüber. Daß beide Parteien sich im Besitz des "echten Jazz" wähnen, hält der Trompeter aber für einen "vollkommenen Blödsinn". Vielmehr hätten beide ihre Daseinsberechtigung. In Hinblick auf die Geschichte der Jazzstile könne man eben nicht sagen, "daß diese Weiterentwicklung eine qualitative ist".
Beim Nachwuchs für den traditionellen Jazz sieht es "trostlos" aus, so der Blue-Note-Six-Leader. Als er seinen Freund Heinz Czadek, Leiter der Jazzabteilung am Konservatorium in Graz, einmal fragte, wieviele seiner Studenten sich für den älteren Jazz interessierten, sei die Antwort schlicht "Kein einziger" gewesen. Während somit auf der einen Seite der Anteil swingender Jungmusiker "verschwindend gering" sei, stünde es andererseits auch mit dem eigenen Stammpublikum nicht zum besten: dieses sei schließlich schon älter und minimiere sich langsam.
Vom Schlagzeuger Horst Bichler vernimmt man ähnlich düstere Töne. Seit über 40 Jahren im Oldtime-Sektor tätig, hält der Drummer der Barrelhouse-Jazzband das Publikumsinteresse mittlerweile für rückläufig. "Das ist wie Warten auf Godot", konstatiert Bichler. "Sie brauchen nicht zu warten ... er war schon hier." Musikernachwuchs sei fast gar nicht vorhanden, das eigene Publikum im vorgerückten Alter: "Wir haben volle Häuser, aber mit 60jährigen. Wir hätten gerne volle Häuser mit 20jährigen", so der Drummer. Von einer "Swing-Szene" in unseren Breiten könne überdies nicht die Rede sein. Nur eine traditionelle Szene sei vorhanden, die im Hinblick auf die Alterspyramide momentan noch gut bestückt sei.
Ist dem Swing somit ein natürliches Ablaufdatum gesetzt? Michael Starch bestreitet das. Denn erstens würde der Swing, wie der Pianist kontert, nicht aussterben, zweitens sei eine intakte Szene sehr wohl gegeben. Auch Nachwuchsprobleme kann der Profimusiker, der nebenbei am Wiener Konservatorium unterrichtet, keine orten. "Man muß die Leute informieren, dann funktioniert´s auch", ist er überzeugt. Solange die Musik Qualität habe, könne das Alter keine Barriere sein.
Sei es nun, wie es sei, Nachwuchs und Alter hin oder her - daß der Swing ausstirbt, glaubt jedenfalls fast keiner. So werde der Stil zwar laut Martin Spitzer "auf Dauer so eine Art Nischendasein führen", vom Exitus scheint er ihm jedoch nicht bedroht. Selbst John Evers kann sich das nicht vorstellen. Vielmehr hegt er die Vermutung, daß der Swing eines Tages neben Mozart im Konzertsaal landen könnte. Schließlich seien die Werke von Ellington und Konsorten ja die "klassische Musik" des frühen 20. Jahrhunderts gewesen. Aber dann wäre man wohl endgültig im Museum.
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