Fortsetzung...

Als Regisseur landet er 1993 einen weiteren kommerziellen Hit: "Cliffhanger" mit dem altgedienten Action-Haudegen Silvester Stallone und Erz-Bösewicht John Lithgow fand trotz ungereimter Story, haarsträubend unglaubwürdiger Stunts (O-Ton Harlin: "Ich verlange von meinen Schauspielern nichts, was ich nicht auch tun würde") und Effekten sein Publikum, allerdings erst, nachdem nach Testscreening die größten unfreiwilligen Lachstellen eliminiert wurden. Etwas Suspense bot die hochalpine Mixtur aus Special-FX-Bombast und Lächerlichkeit dann doch, hatte aber einen unerfreulichen Nebeneffekt: Sie besiegelte offenbar eine verhängnisvolle Freundschaft mit Ex-Rambo Sly.


The Desaster Years

Danach folgte eine Schaffenskrise, wenn man so sagen will, die bis auf eine einzige Unterbrechung bis heute anzuhalten scheint. Der gänzlich mißlungene Versuch, das Genre des Piratenfilms wiederzuleben, geriet zum rekordverdächtigen 100-Millionen-Dollar-Debakel: Der halbgare Kostümschinken "Die Piratenpraut" (Cutthroat Island, 1995) mit seiner damaligen Frau Geena Davies und Matthew Modine ging als drittgrößter Flop aller Zeiten in die Annalen des Kinos ein und trieb die Filmfirma Carolco ("Terminator") in den Konkurs. Die Schuld gab man laufenden Drehbuchänderungen Harlins zugunsten von Geena sowie kostspieligen Bauten auf Malta, obwohl ein Originalset vorhanden war. Ein Jahr später wetzte das Ehepaar die Scharte mit dem Thriller "Tödliche Weihnachten" ("The Long Kiss Goodnight") zwar wieder ein wenig aus. In diesem überaus spannenden Thriller mit Samuel L. Jackson mimt Geena Davies eine Geheimagentin mit gehirnwäschebedingtem Gedächtnisverlust, die durch einen Unfall ihre wahre Identität wiederentdeckt. Der Film funktioniert leidlich gut und glänzt durch hohen Schußwaffengebrauch, wohldosierte Pyrotechnik und solide darstellerische Leistungen, die sonst eher selten sind. Trotzdem sind die Scheidung von Davies (inklusive Auflösung der gemeinsamen Produktionsfirma The Forge) und der nächste Trash unabwendbar. Im blutleeren Unterwasser-Schocker "Deep Blue Sea" (1999) geben sich intelligente Haie in einem Alzheimer-Forschungslabor mit einer farblosen Acteurs-Riege (Saffron Burrows als Ärztin, LL Cool J als dämlicher Koch und ein deplazierter Samuel L. Jackson) ein mörderisches Stelldichein. Die beißfreudigen guten Tierchen sind computergeneriert und das obendrein noch schlecht, der Rest ziemlich uninspiriert und wieder einmal ist die lose "Weißer Hai"-Adaption weit entfernt von Harlins hohem "I try to make it as real as possible"-Anspruch. Aber all das ist noch Gold gegen den aktuellen Mißgriff "Driven", weil eben Freund Stallone eine Idee hatte. Der Zug ist leider abgefahren, aber unverdrossen wird gekurbelt wie am Fließband. Nach der bereits fertig gestellten TV-Serie "T.R.A.X." steht als nächstes "Mindhunters" (2002) auf dem Programm: Sieben Serial-Killer-Profiler trainieren auf einer einsamen Insel, und als sich einer von ihnen als Killer entpuppt, soll es angeblich mörderisch spannend werden. Weil schon wieder ein früherer Kumpel, nämlich LL, mit von der Partie ist, ist erneut Vorsicht geboten. Fraglich, ob sich der rastlose Renny zur Abwechslung zu einem dringend angesagten Formhoch derrappelt.

Suomi, mon amour

Bei allen Hoch und Tiefs verleugnet der hochgewachsene Regisseur seine nordische Herkunft keineswegs, im Gegenteil. Seine Produktionsfirma heißt, wie schon erwähnt, Midnight Sun Pictures und Hinweise auf Finnland zählen für aufmerksame Fans längst schon zur Trademark. Bei Harlin äußert sich das aber nicht mit abgedroschener Moll-Melancholie, Seen oder Tango, sondern gewohnt bodenständig: Die finnische Flagge ist in "Die Hard 2", "Deep Blue Sea" und "Die Piratenbraut" (obwohl sie damals noch gar nicht existierte) zu sehen, in "Cliffhanger" sogar in Form eines Fallschirms. Dem ominösen Verhältnis Finne und Alkohol wird mit Finlandia Vodka in "The Long Kiss Goodnight" und "Deep Blue Sea" Tribut gezollt, in "Die Hard 2" ertönt des öfteren die "Finlandia Hymn" von Jean Sibelius und in "The Long Kiss Goodnight" verweist das gut sichtbare Graffiti "Hell Sink" auf Helsinki. Unterdes hat die Heimat der Mitternachtssonne ihrem großen Sohn auch die peinliche Sache mit dem Anti-Sowjet-Machwerk als Jugensünde verziehen. Harlin gilt nun als sympathischer, unarroganter Nationalstar mit Sinn für Humor. Seine Besuche sind Medienereignisse und er trat in finnischen Film- und TV-Produktionen der neueren Zeit auf. Vermutlich lehrt man an der Filmhochschule in Helsinki nach langen Jahren der Verkennung nun bereits die goldene Renny-Harlin-Regel: "My motto is: If you build it, you either have to burn it down or blow it up. Otherwise it’s just a waste of money."



Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.