Bei wenigen Regisseuren folgen kommerzielle Triumphe und künstlerische Niederlagen so gnadenlos aufeinander. Galt der gebürtige Finne mit "Die Hard 2" und "Cliffhanger" Anfang der Neunziger noch als gefeierter Action-Erneuerer, glänzt Renny Harlin heute hauptsächlich als Garant für millionenschweren Trash, dessen Tiefpunkt der aktuelle Rennfahrer-Schund "Driven" darstellt. Blick auf ein zwiespältiges Ouevre im Zeichen des reinen Kommerz.

Subtilität ist keine wirkliche Stärke Renny Harlins. Auch im nicht gerade unplakativen Action-Genre greift er gerne in die Vollen, ein Hang zur Übertreibung und absurden Übersteigerung durchzieht sein qualitativ sehr unterschiedliches Werk. Im besten Fall bedeutete dies seichte Plots, die aber durch massiven Einsatz von Brachial-Action und leicht megalomanischen Special-Effects für adrenalinreiches Entertainment sorgen, im schlimmsten allerdings kruden Schrott, der seinesgleichen sucht. Nichtsdestotrotz etablierte sich der heute 42-jährige Exil-Finne im Filmmekka Hollywood als produktiver Handwerker hochexplosiver Actionspektakel und erfolgreicher Produzent kleiner Komödien.

Das filmische Talent des am 15. 3. 1959 in Riihimäki geborenen Renny Lauri Mauritz Harjola - die Eltern waren in medizinischen Berufen tätig, sein Vater als Gefängnisarzt - regte sich früh. Angeblich begann er bereits mit zwölf Jahren mit einer Super-8-Kamera zu experimentieren. Ebenso früh aber meldete sich seine kommerzielle Neigung: An der Filmschule in Helsinki galt er deshalb nach eigenen Angaben als Außenseiter, sie führte zu Konflikten mit Lehrern und Kommiltonen, der Gründung einer eigenen Werbeagentur und schließlich zum Abbruch des Studiums.

Nach einer Reihe von Kurzfilmen, Dokumentationen und Werbespots dreht er 1980 seinen ersten Spielfilm "Huostaanotto" als Lauri Harjola. Für sein zweites Projekt lukriert er mangels interessierter heimischer Investoren erstmals Geld in Hollywood. 1986 erscheint das reaktionäre Chuck-Norris-Vehikel "Born American". Die Story um drei finnische Studenten, die aus Spaß die russische Grenze übertreten, wird in seiner Heimat anstandslos zum Politikum und kurz darauf offiziell wegen anti-sowjetischer Propaganda verboten. Man wollte es sich nicht mit dem "Glasnost"-bewegten mächtigen Nachbarn verscherzen. Erbost kehrt daraufhin Lauri Finnland den Rücken, um fortan als Renny Harlin Karriere zu machen.

Doch bevor ihn Hollywood mit offenen Armen empfängt, heißt es erstmal die klassische B-Movie-Lehre absolvieren. Unter den Fittichen von Charles Bands legendären "Empire Pictures" - in einschlägigen Fan-Kreisen dank der "Reanimator"-Serie wohlbekannt - zeichnet der 27-jährige 1988 für Drehbuch und Regie an "Prison" verantwortlich. Bemerkenswert an diesem Horrorstreifen, in der der untote Geist eines unschuldigen Häftlings sein Unwesen treibt und den Harlin als "the toughest film I ever made" beschreibt, sind die billigen Effekte und die Tatsache, daß Viggo Mortensen die Hauptrolle spielt. Weil die Low-Budget-Produktion Geld einspielt, gelangt der aufstrebende Jung-Regisseur noch im selben Jahr zu höheren Horror-Ehren. Das dritte blutige Sequel zur endlosen Schlitzer-Saga "A Nightmare on Elm Street 4: The Dream Master" ist wider Erwarten ein sensationeller Box-Office-Erfolg und läßt die Herzen von Freddy-Krueger-Fans und Studiobossen höher schlagen: Her mit Harlin!

Von Höhen und Hängen

Und der Newcomer enttäuscht nicht, denn es folgt sein bislang bester Film "Die Hard 2: Die Harder" (1990). Die ebenso witzig-lakonische und einen Hauch brutalere Fortsetzung des John McTiernan-Meisterstücks findet bei Publikum und Kritik gleichermaßen begeisterten Anklang und trägt bereits deutlich seine Handschrift: Das Original wird mit einigen Hau-drauf-Qualitäten bereichert - so wird unter anderem ein Terrorist in einer Flugzeugturbine kurz und klein gehäckselt, es gibt zuhauf pyromanische Effekte und viel rotes Blut auf weißem Schnee -, aber ansonsten meistert John McClane alias Bruce Willis auch das zweite Weihnachtsabenteuer mit Bravour. Wie eingangs erwähnt feiern Hollywood und Fachpresse den nordischen Import enthusiastisch als Erneuerer des Action-Genres, doch der stürzt sich nach 15 Minuten auf dem Siegertreppchen sofort in die Niederungen einer abgeschmackten Komödie namens "The Adventures of Ford Fairlane - Rock’n’Roll Detective" (1990). Die prolligen Witze des berüchtigten Titelstars Andrew Dice Clay sind nur für abgehärtete Naturen erträglich, die Kritiken dementsprechend verheerend, das neue Image und Lorbeeren erst mal ramponiert.
Doch der Finne hat sowieso Besseres vor. Mit seiner eigenen Produktionsfirma Midnight Sun Pictures beweist der Mann fürs Grobe, daß er auch zarte Seiten hat: Die nostalgisch-romantische Komödie "Rambling Rose" (1991) mit seiner damaligen Lebensgefährtin Laura Dern in der Hauptrolle (sowie mit deren Mutter Diane Ladd) erntet als erste Arbeit auf künstlerischem Terrain viel Lob und beschert Mutter und Tochter je eine Oscar-Nominierung. Weitere Produktionen Harlins sind übrigens die Romanze "Speechless" (1984; mit Geena Davies und Michael Keation) und zuletzt die Teenie-Liebeskomödie "Blast From The Past" (1999).



Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.