Fortsetzung Interview...
EVOLVER: Warum, glauben Sie, kommt der asiatischen Kultur gerade in der "düsteren" SF eine derartig hohe Bedeutung zu? Auch in "Downtown Blues" trifft man ja auf Triaden und ähnliche Fernost-Elemente.
Çakan: In einer Mega-City wie der Downtown gibt es nun mal ein Völkergemisch. Also ist es nur logisch, daß dort auch entsprechende Verbrecherorganisationen aktiv sind. Obwohl ich im nachhinein feststellen muß, daß die Mafia in der Downtown nicht mehr besonders gut im Geschäft zu sein scheint...
EVOLVER: Wie sieht eigentlich Ihre Beziehung zu John Shirley aus? Wann und wo haben Sie ihn kennengelernt? Was gefällt Ihnen so an seinen Büchern und Stories?
Çakan: Wir sind seit Jahren befreundet. Getroffen haben wir uns auf der "World SF Convention" in San Francisco. Er hat nach dem Con eine recht bemerkenswerte Stadtrundfahrt mit mir unternommen, aber das ist eine andere Geschichte. Shirley ist ein sehr ungewöhnlicher Autor, der von der SF-Szene leider unterschätzt wird; das trifft jedoch hauptsächlich auf die USA zu. Ich glaube, hierzulande weiß man ihn durchaus zu würdigen.
EVOLVER: Können Sie uns sagen, was in Sachen Shirley im deutschen Sprachraum noch an Veröffentlichungen geplant ist?
Çakan: In absehbarer Zeit sind das einmal die beiden weiteren "Eclipse"-Bände. Argument hat auch einmal Interesse an einer Neuauflage von "Splendid Chaos" signalisiert, aber das steht noch nicht auf der Tagesordnung. Was die Horrorromane anbelangt, so werde ich bei Gelegenheit etwas Marktforschung betreiben. Da Shirley jetzt in den USA bei Del Rey erscheint, vermute ich, daß auch in Deutschland Interesse an seinen Horrorwerken bestehen könnte.
EVOLVER: Wie würden Sie die deutschsprachige SF-Szene generell beurteilen? Welche Autoren sollte man Ihrer Meinung nach gelesen haben?
Çakan: Oh weh! Da kenne ich mich nicht sehr gut aus. Hab´ ein paarmal Anläufe genommen, aber das, was ich da gelesen habe, sagte mir einfach nicht zu. Die Charaktere waren nicht stimmig, ließen Tiefe vermissen, und die Handlung hielt mich auch nicht wach. Über Stil will ich gar nicht erst reden. Es kann natürlich sein, daß ich die guten Romane alle verpaßt habe. Ich hoffe sogar, daß dem so ist!
EVOLVER: Was waren für Sie persönlich wegweisende Autoren (oder auch Filme) im Genre Science Fiction?
Çakan: Bei den Autoren sind das beispielsweise Eric Frank Russell, wegen seines Humors, der Geschichte "Plus X" und seinen anderen Short-stories; dann Philip K. Dick, wegen seiner Art, die Realität zu sehen; James Graham Ballard - "Tausend Träume von Stellavista" hab´ ich schon tausendmal gelesen und finde es immer noch großartig; Jack Vance, wegen seiner frühen Space-operas und Kurzgeschichten, aber auch, weil keiner fremde Welten so farbig schildern kann wie er; und schließlich John Brunner, dessen "Schafe blicken auf" ein absoluter Meilenstein ist. Und das sind noch lange nicht alle...
In Sachen Film gehören definitiv die beiden ersten "Star Wars"-Filme - also Episode IV und V, für die Puristen - zu meinen Favoriten; und natürlich "Blade Runner", aber das merkt man vermutlich ohnehin, wenn man meine Sachen liest. Ich erinnere mich, daß es vor Jahren, immer Samstag abends, in der ARD eine Reihe mit SF-Filmen gab. Da zeigten sie Filme wie "Soylent Green", "Silent Running", "Planet der Affen" "THX 1138" und Klassiker wie "Der Tag, an dem die Erde stillstand" oder "Invasion of the Body Snatchers". Waren das noch Zeiten!
EVOLVER: Was erwarten Sie sich von der Zukunft? Und wie sehen Ihre literarischen Pläne aus?
Çakan: Also, persönlich erwarte ich mir Ruhm und Reichtum, was sonst? Nein, ernsthaft: Ich hoffe, daß die Menschheit noch nicht am "Point of no return" angekommen ist und sich irgendwann entschließt, von ihrer kurzsichtigen Egonummer runterzukommen. Ich meine, uns gehört die Erde doch nicht, wir sind nur ein paar Untermieter mit sehr, sehr schlechten Manieren. Aber wenn wir unsere Bude abfackeln, gibt es halt keine Ausweichquartiere...
Von meiner unmittelbaren Zukunft erhoffe ich mir, daß ich weiterhin das Privileg habe, vom Schreiben leben zu können. Für die nächste Zeit steht der dritte und abschließende Luke-Harrison-Roman an; er wird "Das wechselhafte Glück des Spielers" heißen. Danach gibt´s bereits einige Ideen, die ich irgendwann ausarbeiten möchte - ob zu Drehbüchern oder Romanen, weiß ich allerdings noch nicht.