David Mamet nimmt die Verfilmung des Theaterstücks "The Winslow Boy" zum Anlaß für allerlei Ausführungen über die gesellschaftliche Gebarung in Großbritannien zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Im Sommer 1912 versammelt sich die wohlhabende britische Familie Winslow bei Tisch. Draußen regnet es heimelig, und im Garten versteckt sich der jüngste Sohn Ronnie (Guy Edwards) mit einer ziemlich schlechten Nachricht: Des Diebstahls einer geringwertigen Briefmarke bezichtigt, wurde er von der Militärschule der britischen Marine verwiesen. Familienpatriarch Arthur Winslow (Nigel Hawthorne) beschließt nach kurzem Gespräch mit seinem Sprößling, dessen Unschuldsbehauptung Glauben zu schenken. Fortan setzt der alte Winslow alles daran, seinen Sohn von den Beschuldigungen zu befreien. Ein schwieriges Unterfangen, da die Marine, die direkt dem Königshaus untersteht, in Rechtsfragen praktisch gottgleich ist, und es so gut wie keine Revisionsmittel gibt.
Winslow verbeißt sich trotzdem in die Sache. Sehr zum Mißfallen seiner feministisch aktiven Tochter Catherine (Rebecca Pidgeon) gelingt es ihm, den als Bourgeoisie-Verbündeten bekannten Staranwalt Sir Robert Morton (Jeremy Northam) für die Sache zu gewinnen. Morton, äußerlich beinhart, verbirgt in seinem Inneren jedoch eine Menge Mitgefühl - und mit der Zeit noch etwas anderes, das mehr in Richtung Catherine geht. Die allerdings ist mit einem Marineoffizier namens John Watherstone (Aden Gillett) verlobt. Und dem wiederum mißfällt der gesamte Prozeß von Winslow gegen die Marine überaus.
Es folgt ein langer, mühseliger Rechtsstreit, der Arthur Winslow an die Grenzen seiner finanziellen und gesundheitlichen Kapazitäten drängen wird. Bald ist der Winslow Boy in aller Munde; es gibt Karikaturen, Kaffeehäferln und sogar ein Spottlied auf den unschuldigen Jungen. Catherine verliert ihren Verlobten, und generell scheint die Familie Winslow - trotz der aufrechten Anstrengungen Sir Mortons - dem Ruin entgegenzutreiben...
Bühnen- und Drehbuchautor David Mamet, um dessen sechste Regiearbeit (nach einem Theaterstück von Terence Rattigan aus dem Jahre 1946) es sich hier handelt, ist für Amerika so etwas wie der Inbegriff von Hochkultur. Tatsächlich kommt "Winslow Boy" sehr nahe an dieses Ideal heran. Sowohl vom Schauspielerischen her als auch in Sachen Ausstattung und Erzählstruktur ist dem Film einzig und allein vorzuwerfen, daß er etwas trocken geraten ist, aber das paßt wohl zur damaligen britischen Gesellschaft. Ansonsten ist "Winslow Boy" sicher ein Genuß für Cineasten.
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