Es gibt Bücher, die dürfte es aus Sicht der Verlagskalkulierer gar nicht geben. Diese Tatsache ist allein jenen Leuten zu verdanken, die sich in eine Buchidee verlieben und auch bereit sind, den schwierigen Entstehungsprozeß liebevoll und verständig zu begleiten. "Sagmeister: Made You Look" ist ein solcher Fall.
Seit Jahren zeigt uns der Londoner Verlag Booth-Clibborn Editions, geführt von Vater und Sohn im kongenialen Einvernehmen und Zusammenspiel, welche Bücher aus einer derartigen Symbiose entstehen können. Nach dem genialen Buch des englischen Künstlers Damien Hirst erschien dieser Tage ein Band von dem/über den österreichischen Designer Stefan Sagmeister. Bescheidener Titel: "Sagmeister: Made You Look".
Das Buch kommt in einem roten Plexiplastik-Schuber daher und zeigt auf dem Cover einen freundlichen Schäferhund - bis wir die Hülle abziehen, woraufhin der Hund das Maul aufreißt und die Zähne fletscht. Der Titel "Made You Look" ist auf den vorderen Buchschnitt gedruckt, Silber in Silber, und nur zu lesen, wenn wir die Seiten leicht nach hinten knicken. Nach vorn geknickt ergibt die Schrift drei angefressene Knochen für den gierigen Hund. Sagmeister nimmt "Made You Look" wörtlich, durch das ganze Buch hindurch. Er weiß, daß das, was wir heutzutage auf Anhieb sehen, nichts mit dem zu tun hat, worum es in Wahrheit geht. Zwischen dem zu lesen, was wir als Schrift erkennen, hinter die mediale Mattscheibe zu blicken, die Fassade der Bilder abzukratzen und die Schichten offenzulegen, die sich hinter offensichtlich Offenkundigem verbergen, ist die wichtigste Aufgabe aktueller Kunst. Stefan Sagmeister selbst versteckt seine Wahrheit in Bildern, die Buchstaben sind; in Hüllen, die sich umklappen oder falzen lassen; in Schriftbildern, die dem String eines Gitarrenstrichs oder den Wellen einer Songmelodie nachempfunden sind. Irgendwo dazwischen finden wir so etwas ähnliches wie Wahrheit.
Weltbekannt wurde Stefan Sagmeister, der heute ein kleines Studio in New York unterhält, in dem sein Lebens- vom Arbeitsbereich nur durch eine Treppe getrennt ist, durch seine CD-Covers. Musik funktioniert eben blitzschnell und weltweit. So designte Sagmeister beispielsweise die Covers und Booklets für David Byrne, Lou Reed (mit dem ihn wohl mehr als nur eine Freundschaft im Geiste verbindet), Pat Metheny und die Rolling Stones, für die er gleich die Gesamtausstattung des Albums "Bridges to Babylon" lieferte.
Wieviel Spaß und Humor Stefan Sagmeister bei aller Ernsthaftigkeit hat, zeigen seine Randnotizen sowie ein mehrmals zerrissenes und wieder zusammengeklebtes Notizblättchen mit der Überschrift "Things to Do Before I Die". Das Buch selbst überrascht durch die kompetente Redaktion. Egal ob Vortragsdokumentation, die Credits zu Sagmeisters Arbeiten (jeweils mit Angabe des Zeitaufwands und Honorars), die doppelseitige Danksagung, die Bibliographie und ein Index - nichts fehlt! "Sagmeister: Made You Look" ist ein bibliophiles Werk, das beispielhaft zeigt, was das Medium Buch alles kann, wenn wir nur möchten. Es ist ebenso richtungsweisend wie einfach und dabei jeden Groschen wert, den wir dafür hinlegen. So gelingt Sagmeister, was sein innerstes Anliegen ist: "Touch Somebody´s Heart With Graphic Design".