Eines der bestgehütetsten Geheimnisse der letzten Wochen - nämlich, ob es möglich sein würde, das letzte Album "Rest Proof Clockwork" (Warp, 2000) musikalisch noch zu übertreffen - ist endlich gelüftet. Das neue Plaid-Album "Double Figure" liegt - frisch aus dem Preßwerk - auf dem Plattenteller und wartet darauf, gehört zu werden.
Ein kurzer Teaser ("Fototienda Remix") fand sich ja schon auf der 12"-Single "Plaid/Atom/Fibla" (auf Quartermass/SubRosa): ein flotter Twostep, über den fachwerkartig südamerikanische Rhythmen gelegt wurden, schnell und treibend, und der Unruhe und Ungeduld aufkommen ließ.
Doch Plaid geht es weder darum, eine Scheibe nach der anderen herauszubringen, nur um einem manifesten Veröffentlichungsdrang nachzugeben, noch liegt ihnen daran, in einem permanenten Zustand des Komparativs das zuletzt Aufgenommene zu übertreffen. Und so ist "Double Figure" einfach der logisch-konsequente Upspin des Schaffens von Plaid - ein Schnappschuß dessen, womit sie sich gerade beschäftigen.
Plaid unterliegen nicht irgendwelchen Geschmackspolizisten, Label-Tyrannen und Trendforschern. Ed Handley und Andy Turner vereint seit nunmehr zehn Jahren eine fast manische Presse- und Photoscheu - und das, obwohl sie als Black Dog Productions (mit Kevin Downie) mehrere genreprägende Alben aufnahmen. So liegen z. B. "Bytes" aus dem Jahre 1993 oder "Spanners" (Warp, 1994) noch heute besonders gut in den Ohren und dürfen getrost als "all-time favourites" bezeichnet werden. Doch Plaid haben Besserung versprochen, was die Öffentlichkeitsarbeit angeht; bald sollen Bilder veröffentlicht werden, und auch Interviews stehen an.
Eine "Double Figure" war übrigens noch in der Neuzeit eine Sensation der Jahrmarktgaukler. Man stelle sich eine kreisförmige Holzscheibe vor; auf der einen Seite ist ein Vogel abgebildet, auf der anderen Seite ein passender leerer Käfig. Balanciert man die Scheibe nun zwischen Daumen und Zeigefinger und läßt sie schnell um die eigene Achse rotieren, so entsteht ein simples Vexierbild. Die Trägheit des Auges macht es möglich.
Dementsprechend eröffnet auch eine unschuldige, verhaltene Gitarrenmelodie das Album "Double Figure" - eine kleine Pause, um unsere Ohren und HiFi-Anlagen zu kalibrieren oder in Ruhe einen Blick aufs Cover zu werfen. Dieses verrät den Eingeweihten, was Corporate Design im dritten Jahrtausend so alles kann: nämlich zeitgemäß und ästhetisch sein. Schon bald zeigt sich, daß beim neuen Album auf klangliche Opulenz eher verzichtet wurde, stellt es doch mit den anderen zwei Releases ("Not For Threes" und "Rest Proof Clockwork") eine Art Trilogie dar.
Der Kreis schließt sich, wie auf dem Cover, auch musikalisch. Plaid haben im Laufe der letzen zehn Jahre eine eigene Musiksprache entwickelt (gemäß dem Postulat: Kunst = Kommunikation). Die zwei Freunde erfinden am laufenden Band "catchy tunes" aus elektronischem Flitter- und Filter-Kram und spielen bzw. programmieren an die zwölf Instrumente gleichzeitig - zumindest klingt es so. "Analogue Meets Digital" heißt das Motto; und was dabei herauskommt, ist eine verzauberte elektronische Popmusik, die manchmal an Tim-Burton-Soundtracks erinnert, die harmonisch und interessant, kreativ und ungemein fingerfertig umgesetzt wurden. Egal, ob schneller und "Ae-Like" oder Downbeat und Mellow, Plaid ziehen abermals alle Register moderner Produktionskunst; ihre intuitiven Arrangements verschmelzen sämtliche Details und entzücken uns unaufhörlich.
Insofern ist "Double Figure" ein weiterer unverzichtbarer Release aus dem Hause Warp - und eine ganz besondere Empfehlung.
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