"Die Regisseure sind mehr oder weniger entmachtet, die Studiomanager scheffeln ungeheure Summen, und die Budgets sind außer Kontrolle geraten wie nie zuvor. Und seit zehn Jahren hat es keinen Klassiker mehr gegeben." Das sagt Francis Ford Coppola irgendwann gegen Ende von Peter Biskinds über 800 Seiten starkem Buch "Easy Riders, Raging Bulls".
Coppola galt in den 60ern als Leitfigur all jener Regisseure, die dem alten Studiosystem à la Jack Warner ein unabhängiges Autorenkino entgegensetzen wollten - eine Idee, die eine Dekade lang unverhoffte Blüten treiben sollte, um schließlich in einem Gemisch aus Sex, Drugs and "Artistic Superegos" unterzugehen.
Davor stand jedoch ein Jahrzehnt, in dem einige der besten Filme gedreht wurden, die Hollywood seit "Citizen Kane" hervorgebracht hatte. Unter dem Titel "New Hollywood" schufen William Friedkin, Martin Scorsese, Dennis Hopper, George Lucas, Peter Bogdanovich, Robert Altman, Roman Polanski, Hal Ashby und eben Francis Ford Coppola im Zeitraum von 1968 bis 1978 Meisterwerke à la "French Connection", "Taxi Driver", "Apocalypse Now", "Badlands", "Harold and Maude", "THX 1138", "Nashville", "Raging Bull", "Chinatown", und machten ein Handvoll junger Schauspieler wie Jack Nicholson, Robert De Niro, Al Pacino, Gene Hackman, Dustin Hoffman, Richard Dreyfuss und Harvey Keitel zu Stars.
Begonnen hatte alles mit dem letzten von Studioboß Jack Warner persönlich überwachten und von Warren Beatty produzierten Streifen "Bonnie & Clyde". "Wovon zum Teufel handelt er?" wollte Warner wissen. Darauf Produzent und Hauptdarsteller Beatty: "Es ist eine Hommage an die alten Gangsterfilme". Und Warner:"Was zum Teufel ist eine Hommage?"
Der unerwartete Erfolg von "Bonnie & Clyde" eröffnet Hollywood-Outsider Dennis Hopper die Möglichkeit, sein mit Peter Fonda entwickeltes Projekt "Easy Rider" zu verwirklichen. Nachdem der "Kultfilm einer Generation" einige Millionen Dollar eingespielt hatte, öffnete er Tür und Tor für junge Regisseure, um kleine, schmutzige und "irgendwie europäische" Filme zu drehen. Den Studiobossen kam langsam zu Bewußtsein, daß man das Lebensgefühl und den Zeitgeist der "Baby-Boomer-Generation" nicht unbedingt mit Doris Day und Rock Hudson in den Hauptrollen besetzen konnte.
Biskind erzählt von den Partys, Orgien und Drogenexzessen, von den künstlerischen und privaten Katastrophen und Erfolgen. Er präsentiert die Produzenten, Kamermänner, Cutter und Casting-Agenten, die oft mehr zu einem Film beisteuerten, als uns schnell vergessene Leinwand-Credits weismachen wollen. Deutlich zeigt "Easy Riders, Raging Bulls", wie sich "New Hollywood" nach "Star Wars" langsam aufzulösen begann. Dazu "Taxi Driver"-Autor Paul Schradrer: " 'Star Wars' war der Film, der das Herz und die Seele Hollywoods verschlang. Er schuf diese Big-Budget-Comic-Heft-Mentalität."
Danach kamen Produzenten wie Simpson, Bruckheimer, Katzenberg und Diller, "High Concept Pictures" (Scripts, die sich mit 25 Worten erzählen ließen), optische Werbeästhetik, Special Effects, Superheroes und die massentauglichen Dramaturgien der "Feelgood Movies".
Es läßt sich natürlich einwenden, daß all dem oft der regenbogenpressehafte Beigeschmack des "Edel-Gossip" (wieviel Koks Martin Scorsese schnupfte, mit welchen Playboy-Bunnies Francis Ford Coppola seine Frau betrog) anhaftet, aber dennoch bieten die unzähligen Interviews, die Biskind zwischen 1992 und 1997 mit den Protagonisten der Ära geführt hat, einen wundervollen Einblick in eine verdammt spannende Zeit. "Oral History with a Tabloid Twist". Für Filmfreaks ein Muß!