Der Zuhälter der Wörter

Mit "H. C. Artmann: ich bin abenteurer und nicht dichter" legt Kurt Hofmann einen posthumen Band über einen Schriftsteller vor, der sich nie in den Elfenbeinturm verstieg. Der am 4. Dezember 2000 verstorbene Artmann wechselte Stile und Gattungen so schnell, daß die Kritik atemlos zurückblieb.

"Ich bin der Kuppler, der Zuhälter der Wörter, die es miteinander treiben, aber es muß immer ein anderer Puff sein." Soweit die Selbsteinschätzung eines Autors, dessen Bibliographie sich wie eine ausgedehnte Zechtour liest: von den Dialektgedichten der "schwoazzn dintn" bis zu seinen Kinderbüchern.

Der Journalist Kurt Hofmann war durch Bücher über Friedrich Gulda und Thomas Bernhard bereits im Umgang mit schwierigen Künstlern geeicht, als er im Jahre 1980 mit der Idee einer Interview-Serie an Artmann herantrat. Der dem Alkohol - wie auch den Frauen - nie abgeneigte Dichter reagierte mit einem "Vergiß das, trink ma lieber was", ehe er sich breitschlagen ließ. Allerdings hat er sich eine posthume Veröffentlichung ausbedungen, weshalb das Buch als Ergebnis eines 20jährigen Kontaktes erst jetzt erschienen ist.

Erfreulicherweise ist aus der Plauderei letzten Endes so etwas wie eine Biographie in Anekdoten und persönlichen Aussagen geworden. Das Gespräch folgt den Lebensstationen des Dichters von der Jugend in Wien/Breitensee, wo er 1921 geboren wurde, über die ersten literarischen Versuche (Liebesgedichte an eine Wiener Müllerstochter), die Zeit bei der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, an dessen Ende er als Deserteur zum Tode verurteilt wurde, und seinem Status als Mittelpunkt der später als "Wiener Gruppe" bezeichneten Literatengemeinschaft. Zwischendurch heiratet der sich selbst als schüchtern bezeichnende dreimal und zeugt fünf Kinder mit fünf Frauen: "Schließlich bin ich ja kein Brutalist, daß ich einer zwei anhänge."

Lange Zeit entspricht sein Werdegang genau dem Klischee vom verkannten Genie. Erst mit der Balladensammlung "med ana schwoazzn dintn" findet er Anerkennung. Der schmale Band hält sich ein ganzes Jahr auf Platz zwei der Bestsellerliste (den ersten Rang belegt der gleichzeitig erscheinende "Dr. Schiwago"). Um dem Ruf des "Dialektdichters" zu entgehen, zieht sich Artmann nach Malmö zurück und gondelt später in der Welt herum. Stationen seiner Reise: London, Bern, Berlin, Stockholm, Graz und Irland. Zum Schluß lebt er in Salzburg und Wien, wo er auch stirbt.

Auf niemanden traf der Ausspruch "Der Dichter als Hungerleider" mehr zu als auf Artmann. Er warf das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus, wenn er welches hatte. Dazwischen hielt er sich mit Auftragsarbeiten, Übersetzungen und Lesungen über Wasser. Preise und Ehrungen waren ihm zuwider; dennoch nahm er sie stets an, schließlich konnte er mit dem Geld "wieder eine Zeitlang umherreisen". Mittlerweile hat er es hinter sich, jener Schriftsteller, der von den Medien mit dem großsprecherischen Titel des "letzten Dichters" bedacht wurde. Irgendwie ist was dran. Das hat er auch selbst gespürt: "Im Grunde bin ich ein Einzelgänger, was sonst. Spätestens im Grab."

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Über den Autor:
Kurt Hofmann wurde am 1. Juli 1954 in Kärnten geboren. Der vorliegende Band ist das Ergebnis im Laufe von 20 Jahren stattgefundener nächtlicher Gespräche mit dem Dichter H. C. Artmann. Das ursprüngliche Rohmanuskript von 1000 Seiten wurde auf ca. 200 Seiten zusammengekürzt und mit Photos, Werkausschnitten sowie einer CD ergänzt. Weitere Buchveröffentlichungen: "Aus Gesprächen mit Thomas Bernhard" und "Friedrich Gulda - Mein ganzes Leben ist ein Skandal"