Das verschlafene bayrische Städtchen Weilheim hat uns in den letzten Jahren einiges an interessanter Musik beschert. Mit den "Electric Avenue Tapes" beweist das Tied & Tickled Trio, daß es zu den renommiertesten Aushängeschildern dieser Indie-Hochburg im Süden Deutschlands gehört.
Spätestens seit ihrem 1999 erschienenen Album "EA1EA2" ist das Tied & Tickled Trio Stammgast in zahlreichen Musikzeitschriften und Feuilletons des deutschsprachigen Raums. Dabei handelt es sich bei diesem Trio in Wirklichkeit um ein Sextett, bestehend aus Ulrich Wangenheim (Sax), Christoph Brandner (Drums), Andreas Gerth (Electronics), Robert Klinger (Baß) und den Brüdern Micha und Markus Acher (kennt man von The Notwist).
Das Tied & Tickled Trio spielt Jazz - allerdings eher mit einem emotionalen als einem akademischen Ansatz. Auf ihrem neuen Longplayer "Electric Avenue Tapes", der zwei aufeinanderfolgende Konzerte zusammenfaßt, präsentieren sie ihre Definition von Jazz im Rahmen moderner Elektronik. Das ergibt eine Schnittmenge aus dem Wissen von John Coltrane und Miles Davis, der fließenden Virtuosität von psychedelischem Frühsiebziger-Jazz und Aphex Twin, Abstraktion und fühlbarer Schönheit, die selbst in aller Stille und Langsamkeit immer mit dem Groove korrespondiert.
Wie bei Live-Alben üblich, klingt das Ergebnis geradliniger und weniger konstruiert als Studiowerke. Andererseits kippt es aber auch gerne in wenig innovatives Improvisationsgedudel ab, das den unerfahrenen Rezipienten mit minutenlangen, free-jazzenden Saxophon-Solos verstört; aber das kann man schließlich auch als "künstlerische Expressivität" deuten. In Summe arbeitet das Tied & Tickled Trio jedoch mit einer ausgewogenen Mischung aus elektronischen Sounds (Drumcomputer, Sampler) sowie handgespielten Instrumenten und verbindet in den "Electric Avenue Tapes" unterschiedliche Genres wie Post-Rock, Dub, Elektronik und eben Jazz zu einer neuen, frischen Allianz der Sounds.
Daß so eine Musik ausgerechnet aus der bayrischen Provinz und nicht aus London, New York oder Berlin kommt, ist schon erstaunlich. Übrigens: Tied & Tickled ist die Bezeichnung für eine japanische Sexpraktik, bei der einer der Partner vom anderen gefesselt und solange gekitzelt wird, bis es anfängt zu schmerzen. Soviel zum Thema ländliche Unschuld.
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