Der Erfolg von Joel und Ethan Coen ist schnell erklärt: komplexe, lakonische Epen aus simplen Zutaten, unterlegt mit staubtrockenem Humor und stilistisch perfekten Bildern; gute Geschichten in einem merkwürdigen Universum. Ihr großartiges Debüt "Blood Simple" funktioniert auch im Director´s Cut: "Let there be blood"!
In God´s Own Country, also im tiefsten Texas, ist die Welt ein wenig anders. Man weiß nicht viel, und einiges kann ganz schön schief gehen. "But what I know about is Texas, and down here … you’re on your own". So sinniert der ortsansässige, ziemlich schmierige Privatdetektiv Loren Visser (M. Emmet Walsh) unter seinem Stetson, als sein Blick und die Kamera über öde Weiten und ein ebensolches Kaff streifen. Noch ahnt er nicht, wie bald dieser Satz auf alle Beteiligten zutreffen wird - vor allem auf Julian Marty (Dan Hedaya), der in diesem kleinen Provinzdrama die unfreiwillige Hauptfigur abgeben muß. Marty, goldketterl- und brusttoupettragender Besitzer der einzigen, etwas schäbigen Dorfbar, ist bei seiner Ehefrau Abby (großartig wie immer: Frances McDormand) und seinen Angestellten nicht gerade beliebt. Aber er hat als einziger etwas, das alle wollen: Geld. Und Eifersucht gehört auch zu seinem Repertoire. Als ihm Visser seinen Verdacht bestätigt und Fotos vom verschwitzten Ehebruch der Gattin mit seinem Barkeeper Ray (John Getz) vorlegt, heuert er den Privatdetektiv an, das Liebespaar zu ermorden. Doch Visser hat einen anderen, auf Anhieb ziemlich raffiniert wirkenden Plan.
Wie es perfekte Pläne allerdings so an sich haben, scheitern sie nicht an der Durchführung, sondern an simplen Details. Ein verlorenes Feuerzeug, ein vergessenes Photo oder eben lästiges Blut (viel Blut!) legen verräterische Spuren. Im Bemühen, diese zu beseitigen, taumeln sich alle Beteiligten nicht nur gegenseitig in die Quere, sondern auch immer tiefer in einen unheilvollen Strudel aus Ereignissen, die allmählich außer Kontrolle geraten.
Diese modernisierten Zitate aus Film noir und alten Thrillern füllen die Coen-Brüder mit aberwitzigen Pointen. Das größte Problem des Mörders ist bekanntlich das Beseitigen von Leichen - vor allem dann, wenn sie noch nicht richtig tot sind oder es nicht werden wollen. Hier wird der Horror in einer der denkwürdigsten und makabersten Sequenzen zum Thema gelöst. Diese ging ebenso in die Filmgeschichte ein wie der höchstwahrscheinlich von Joel Coens Anfängen bei Schockmeister Sam Raimi ("Evil Dead") inspirierte Schlußkampf, bei dem eine blutige Hand und ein Messer wesentliche Rollen spielen. Und der von Schußlöchern strahlenartig erhellte Raum erlebt hier seinen ersten Höhepunkt.
"Blood Simple" enthält bereits alle Elemente eines typischen Coen-Brothers-Films: Eifersucht, Neid, Gier und Geld sind die Triebfedern, die harmlose, etwas provinzielle Menschen auf einmal in dubiose Verbrechen stürzen und meist eine Lawine an noch dubioseren Ereignissen nach sich ziehen. Das Bereinigen diverser Schlamassel gestaltet sich als mühsam bis unmöglich, und dabei verhalten sich die ohnehin etwas seltsamen Nachbarn, Ehegefährten oder Durchschnittsbürger noch merkwürdiger. Bei all dem, seien es Häckslergemetzel, Schußwechsel oder Entführungen, halten sich Grauslichkeiten und schwarzer Humor stets perfekt die Waage. Zugleich legt das kongeniale Brüderpaar ein unglaubliches Gefühl für Details und Menschenbeobachtung an den Tag und versteht es, Genrezitate nicht sinnlos abzukupfern, sondern in originellen Verdrehungen zu neuem Leben zu erwecken.
Das ergab vielleicht kein durchgängig gelungenes Gesamtwerk, aber will man angesichts von "Raising Arizona", "Fargo", "The Big Lebowski", "Hudsucker Proxy" und "Barton Fink" Erbsen zählen? Sollte man vergessen haben, daß die Coens vielerorts die Ahnherren des neueren Independent-Films genannt werden - ihr Low-Budget-Meisterwerk "Blood Simple", das auch nach 17 Jahren lässig als aktueller Film durchgehen könnte, macht das im kaum veränderten Director´s Cut wieder deutlich.