Animals, Suns & Atoms" heißt das neue Album von Tarwater, der Band von Bernd Jestram und Ronald Lippok. Die beiden Berliner, von der internationalen Musikpresse als "Erben des Krautrock" betitelt, wandeln zwischen Spoken-Word-Poetry, Pop, TripHop noir - und sind doch nichts von alledem.
Seit fünf Jahren sind Tarwater, die bis dato erfolgreichste Band des deutschen Indie-Labels Kitty-Yo, nur noch als Duo tätig. Damals machte der Kauf eines Samplers weitere Mitwirkende im Projekt endgültig überflüssig. Das 1998 erschienene Album "Silur" katapultierte die zwei Ostberliner, die schon vor dem Mauerfall im Künstlerbiotop am Prenzlauer Berg aktiv waren, in die internationale Musikpresse und wurde als wegweisende Platte an der Schnittstelle von Rock und Elektronik gefeiert. Doch Tarwater wollten nie so recht in irgendwelche Schubladen passen. In England schrieb "Jockey Slut", ein einschlägiges Branchenmagazin, vom "re-birth of Krautrock in new skins", was der Musik genausowenig entsprach wie die oft bemühten Vergleiche mit Bands wie Tortoise oder Kreidler. Auf "Animals, Suns & Atoms" führen Bernd Jestram und Ronald Lippok (der auch bei dem Minimal-Elektronik-Projekt To Rococo Rot tätig ist) die Entwicklungen weiter, die sich bereits auf "Silur" abzeichneten.
Nach wie vor bedient man sich des erzählerstimmenartigen Gesangs, der manchmal ein wenig an Lou Reed erinnert, doch der Sound hat tiefgreifende Veränderungen erfahren: Die Beats sind schwerer und dublastiger geworden, die Klanglandschaften komplexer und homogener, der Song rückt zusehends in den Mittelpunkt. Dadurch bewegen sich Tarwater kontinuierlich weiter in Richtung Pop und werden in ihrer Musik offener, zugänglicher. Das unterkühlte Ambiente des Vorgänger-Albums macht einem organischeren Geflecht aus Elektronik und handgespielten Instrumenten Platz, alles verschmilzt in einem sanften, ruhigen Fluß. "Animals, Suns & Atoms" beweist einmal mehr, daß in der elektronischen Musik das klassische Songwritertum kein Schattendasein im hintersten Festplattenwinkel des Computers fristen muß. Tarwater verstehen es, sich bei aller "computergenerierten Instrumentierung" (Breakbeats, Bleeps, Effekte) nie in beliebiger Abstraktion bzw. purer Freude am technisch Machbaren zu verlieren, sondern in klarer Dramaturgie Klang und Wort als gleichberechtigte Partner herauszustellen.
Wenn Tarwater auch nicht die "Erben des Krautrock" sind, so doch zumindest die potentiellen Retter des Elektronik-Pop aus der Kunstschule. Falls für diese Platte annähernd stimmungsmäßige Referenzmodelle existieren, so sind sie tief in der Geschichte zu finden - etwa bei Tuxedomoon oder den frühen Talking Heads; die 80er und ihre nüchterne Ästhetik lassen grüßen. Tarwaters besonderer Verdienst dabei ist aber die lockere Überwindung der Grenzen zwischen Elektronik, Improvisation, Handarbeit und künstlerischem Gestus. Das wird sich in naher Zukunft auch bei der anstehenden Tour (am 4. Juni im B72, Wien) überprüfen lassen.
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