Nach "Adore" hätte man sie beinahe als sentimentales Kunstmusik-Trio totsagen können. Aber Billy Corgan hat sich zusammengerissen, wieder zur Gitarre gegriffen und mit "Machina" ein Album produziert, das mehr als versöhnt.
Wenn wir uns an die Anfänge der 90er Jahre zurückerinnern, drängen sich Bands wie Nirvana, Soundgarden oder Pearl Jam ins Gedächtnis. Heute sind sie alle tot, aufgelöst oder uninteressant - genauso wie die historische Anekdote des Seattle-Sound. Es ist sicher eine schicksalshafte Ironie, daß mit den Smashing Pumpkins gerade jene Band, die allen anderen Seattle-Grunge-Bands von Rang und Namen damals zutiefst unsymphatisch war, bis heute überlebt und im Endeffekt die größten Erfolge eingefahren hat.
Billy Corgan hat sich als Person seit "Mellon Collie" nicht mehr verändert. Er trägt nach wie vor Glatze, hat ein religiöses Restproblem und gibt sich noch genauso spinnert wie früher, was bei den Promo-Interviews der letzten Zeit unzweifelhaft zutage getreten ist. Allerdings dürfte er auch eine eher anstrengende Zeit hinter sich haben.
Bekanntlich mußte Schlagzeuger Jimmy Chamberlain die Band verlassen, weil er irgendwie damit zu tun gehabt haben soll, daß während der "Infinite Sadness"-Tour 1996 ein Keyboarder an Heroin einging. Dann gab es Schwierigkeiten mit Virgin Records inklusive Prozeßandrohung, weil die vertraglich vorgeschriebene Anzahl an Neuveröffentlichungen nicht eingehalten wurde. Daraufhin setzte sich der Pumpkins-Restbestand ins Studio und produzierte eine Drummachine-beherrschte, lustlos-depressive Platte ("Adore"), die im Frühling 1998 an ihrer Herbststimmung krepierte. Gitarrist James Iha hatte zuvor noch ein akzeptables Solowerk abgeliefert, das aber so gar nicht in die Pumpkins-Sammlung paßte. "Gish", "Siamese Dream" und "Mellon Collie" wanderten also ins ewige Sammlerarchiv, und das schien es vorerst gewesen zu sein.
Umso überraschender tönt nun das neue Werk der Pumpkins aus der Anlage. Corgan hat die E-Gitarre wiederentdeckt, komponiert wieder seine liebenswerten Harmonien und zeigt als Sänger wiedergewonnene Lebendigkeit. Überdies ist die Platte nicht wirklich vergleichbar mit den früheren Werken der Band, auch wenn sich ihr charakteristischer Sound weiterhin durchzieht. Eine Neuerfindung? Zum Teil. Aber das Wiedererlangen der alten Qualitäten ist ohnehin mehr als genug. Corgan bezeichnet "Machina" als "very old school". Zum Glück. Jedenfalls haben wir es mit eigenartiger, eigenständiger Rockmusik zu tun - also mit einer aussterbenden Gattung bzw. "echt Hochkultur" (wie die Verwandtschaft es auszudrücken pflegt).
Wer das Pumpkins-Gesamtwerk inkl. Videos kennt, dürfte um die Rolle von Rauschdrogen darin Bescheid wissen. Bassistin D´Arcy Wretzky stand unlängst wegen einer Crack-Sache vor Gericht; sie hat die Band übrigens verlassen, um Schauspielerin zu werden; dabei verläßt sie sich auf Mickey Rourke (ja, der lebt noch). Die neue Bassistin der Band ist Ex-Hole Melissa auf der Maur. Allerdings ist auf "Machina" noch D´Arcy zu hören.
Alle Neuigkeiten abgehakt - bleibt eigentlich nur noch der dringliche Rat zum Kauf der neuen Platte und das gespannte Warten auf das nächste Pumpkins-Konzert in Wien. Wer damals 1996 im Wiener Messepalast dabei war, weiß genau, was das heißt
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