Afrikanisches Vermächtnis anno 2001

Fela Kuti, der große nigerianische Musiker, hat den Feldzug des Afrobeat begonnen. Sein alter Freund und Partner Tony Allen setzt mit dem Groove-Veteranen Doctor L den eingeschlagenen Weg mit "Psyco On Da Bus" fort - und zwar in eine mehr als unerwartete Richtung.

Wenn man sich folkloristische afrikanische Musik aufmerksam anhört, wird einem schnell klar, wo HipHop, Soul, Funk und Jazz ihre DNS aufgegabelt haben. Daß sich irgendwann Jazz und Afrobeat wiederfinden werden, war ja fast schon verpflichtend anzunehmen. Und da die elektronische Musik ebenfalls krampfhaft nach neuer Inspiration und Möglichkeiten zum Ausbau ihrer Sample-Datenbanken sucht, war es auch nur eine Frage der Zeit, bis Drums und Drumcomputer zueinandergefunden haben würden.

Die bisher letzte Symbiose der statistischen Wahrscheinlichkeiten heißt "Afrojazz meets Electro". Der Beginn der Zusammenarbeit von Doctor L, dem in Paris residierenden Electronica-Kardinal, und Tony Allen, dem Ex-Partner von Fela Kuti und als Schlagzeuger und Sänger selbst eine Afro-Musiklegende, nannte sich "Black Voices". War dieses Album in einschlägigen Expertenzirkeln schon ein riesiger Erfolg, so dürfte "Psyco On Da Bus" die nächste Evolutionsstufe erklimmen.

Die Grundidee des Albums war die, während Allens letzter Sommertournee mit der Afrobeat-2000-Band primär im Tourbus ein Album aufzunehmen, das die Brücken zwischen afrikanischer Musik und "new style urban attitude" endgültig niederreißen sollte. Das Resultat ist eine der unglaublichsten Platten diesen Jahres - der Future-Funk in "Afropusherman", das wunderschöne Afro-NuGroove-Juwel "Never Satisfied", die psychedelischen HipHop-Free-Jazz-Slam-Poetry-Grooves in "Time to Take A Rest". Afrobeat flirtet heftigst mit elektronischen Loops und Samples, Live-Drums und Synthie, Vocals und Vocoder - das sind die Ähnlichkeiten. Jeder Track ist im großen und ganzen eine Überraschung, da sie stilistisch uneins, aber doch kohärent sind.

Mit "Psyco On Da Bus" treffen uralte afrikanische Kultur, 70er-Funk-Style und moderne Software im G4-Titanium zum spirituellen Austausch zusammen. Man hört Musikern bei der Arbeit zu, deren höchstes Gut nach wie vor der Sound ihrer Instrumente ist. Selten gab es in letzter Zeit Platten, bei denen "Sound, Vibes and Words" so viel Substanz und Groove unter einen Hut gebracht haben. Eine Empfehlung? Das wird jeder nach fünf Minuten selber wissen.

Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.



Oben: Afrobeat-Visionär Tony Allen träumt gerade von Konzerten im Wembley Stadion. Unten: Der große Meister, Inspirator und Nigerias Top-Verdiener der 80er: Fela Kuti