Leider nur pseudolustig!

Wenn ein Diamant mit Tendenz zum weltbeherrschenden Psychopathen in jenem Teil Londons herumgeistert, den uns Charles Dickens wohlweislich verschwiegen hat, dann kommt einiges auf den Leser zu. Leider ist "Böse Wichte" jedoch nicht halb so lustig, wie man uns weismachen will.

Gerry O´Briens neuer Roman spielt im Borough, der wohl verrufensten Gegend von London, wo sich allerlei zwielichtige Gestalten herumtreiben. Da gibt´s zum Beispiel Tantchen Dot, eine alte, resolute Dame, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ihr Revier von Verkehrssündern und ähnlichem Gesindel zu säubern. Als ihr dabei durch Zufall ein gigantisch großer Diamant in die Hände fällt, glaubt sie sich ihrem Ziel ein ganzes Stück näher. Doch da sie an einem Ort lebt, wo man als Sympathiebekundung halbe Ziegelsteine an den Kopf geworfen bekommt, und da der größenwahnsinnige Diamant auch noch telepathische Fähigkeiten besitzt, bekommt Dot auf einmal einen Haufen Probleme.

Plötzlich ist die halbe Londoner Unterwelt hinter ihr her, denn jeder will den Diamanten für sich haben. Im Laufe der Geschichte kommt es zu einigen haarsträubenden Zwischenfällen, Mordversuchen und Verfolgungsjagden. Doch als dann schließlich ein paar finstere Gestalten die Grundprinzipien der Demokratie entdecken und Dots Nichte Krümel den sogenannten Ganovenkodex für ihre Zwecke einzusetzen lernt, geht´s erst richtig los, und das durchaus amüsante Unheil nimmt seinen Lauf.

Auch in diesem Jahrtausend wird dem Leser wieder einiges an komischer Literatur geboten. Warum jedoch jeder zweite Autor als "perfekte Kombination aus Douglas Adams und Terry Pratchett" herhalten muß, bleibt dabei ein Rätsel. Leider ist nämlich auch O´Briens Buch "witzig", ohne aber in die Tiefe zu gehen. Das verraten schon die Personen der Handlung: ein Unterweltboß, der bei Verhören mit Federn die Geheimnisse aus seinen Opfern herauskitzelt, eine flotte Biene, die feststellt, daß sie sich mit Möbelstücken unterhalten kann, und ähnlich schräge Persönlichkeiten, denen es leider viel zu sehr an Charakterzeichnung mangelt. Der gedankenmanipulierende Diamant beginnt leider Gottes nach einiger Zeit ganz schön zu langweilen, und auch das Großmütterchen kann keine Begeisterungsstürme hervorrufen. Hat man die ersten Kapitel erst einmal hinter sich, plätschert der Witz leider nur noch vor sich hin; stellenweise wirkt das Werk fast krampfhaft überladen.

Wer nur kurzweilige Unterhaltung für zwischendurch sucht, kann getrost zu "Böse Wichte" greifen; will man allerdings wirklich zum Lachen gebracht werden, sollte man sich lieber auf bewährte Autoren verlassen - Experimentierfreudigen sei an dieser Stelle Bill Fitzhughs Erstling "Der Kammerjäger" ans Herz gelegt.

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Über den Autor:
Gerry O´Brien lebt mit seiner Familie in Winchester. Bevor der 43jährige seine Berufung als Schriftsteller fand, war er einige Jahre bei der britischen Armee, versuchte sich als Schreiner von Puppenstuben und wurde nach der Veröffentlichung einiger Romane schließlich von Colin Smyth, dem Agenten Terry Pratchetts, entdeckt.