"The Cell", marketingtechnisch zwischen "Matrix" und "Das Schweigen der Lämmer" angesiedelt, ist eine Neuinszenierung bekannter Themen in schwülstiger MTV-Atmosphäre. Nichts davon ist neu oder originär - trotzdem ist der Film sehenswert.
Für einen neumodernen Forschungskomplex, gespritzt vom Geld eines offenbar reichen Schönlings, dessen Sohn ins Koma traumatisiert wurde, als er auf einer entlegenen Insel die Abschlachtung von Robben beobachten mußte, experimentiert die gelernte und erfolgreiche Psychotherapeutin Catherine (Jennifer Lopez) mit einer gar erstaunlichen technischen Anlage. Das Wunderwerk ermöglicht es mehreren Personen, sich in die Traumwelt, ins Bewußtsein oder vielleicht ins Vorbewußtsein (was auch immer) einer Person einzuklinken - sie werden als "Guests" praktisch integrierte Bestandtteile der Traumwelt ihres "Host". Catherine projiziert ihre Gedankenenergie also in die komatöse Traumwelt des kleinen Jungen und versucht so, ihn aus seiner psychischen Paralyse zu holen. Sie würde den Jungen am liebsten in ihre Welt befördern (und nicht immer nur umgekehrt) - davon verspricht sie sich große Erfolge. Die anderen Wissenschaftler halten das aber für ein zu großes Risiko. Dem Projekt droht übrigens die Schließung, weil der reiche Sponsor eigentlich nur seinen Sohn zurückhaben will, anstatt ein paar Wissenschaftlern Geld fürs Experimentieren zu geben.
Was für ein Glück, daß zur selben Zeit und nicht allzuweit entfernt ein Serienkiller sein Unwesen treibt. Der Killer (Vincent D´Onofrio) ist eine ziemlich perverse Sau; er ertränkt seine weiblichen, hübschen, jungen Opfer langsam (was er auf Video aufzeichnet) und bleicht sie dann mit Chlor ordentlich aus, bis sie so weiß sind wie sein Albinohund. Gerade hat die Polizei die siebte Leiche gefunden, und das achte Mädchen wurde bereits entführt. Doch der Killer ist unvorsichtig geworden und hat Indizien hinterlassen, die die Polizei endlich auf seine Spur bringen. Als der Mann namens Stargher verhaftet werden soll, findet man ihn am Boden liegend und bewußtlos; vom achten Opfer fehlt jede Spur. Ein Arzt stellt fest, daß er an einer seltenen Form von Schizophrenie leidet, die ihn (genau im richtigen Moment) aus dem Diesseits ins Koma katapultiert hat.
Und jetzt kommen Catherine und ihre Anlage ins Spiel. Sie begibt sich auf Ersuchen der Polizei in die Traumwelt von Stargher, um herauszufinden, wo er sein letztes Opfer versteckt hat. (Daß es sich, verborgen unter einem entlegenen Silo, in einer hermetischen Glaszelle befindet, die sich vollautomatisiert und langsam mit Wasser füllt, wissen wir bereits - die Polizei aber nicht.) In Starghers Traumwelt findet sich Catherine in einem finsteren, feuchten, schaurigen, düsteren Labyrinth voller Perversionen wieder, wo der Killer wie eine satanische Gottheit zu herrschen scheint. Aber sie entdeckt auch den kleinen Jungen in Stargher, der verschreckt durch die Gänge hetzt und offenbar Zuwendung und Hilfe sucht. Und natürlich besteht höchste Gefahr für Catherine - wenn sich Starghers Psyche nämlich als stärker erweist, könnte sie in seiner Traumwelt gefangen bleiben und ebenfalls ins Koma fallen...
Ja, ja, das hatten wir doch alles schon. Aber die Story war sowieso nicht das Zugpferd in der Marketing-Kampagne; vielmehr versuchte man, mit der außergewöhnlichen Optik des visionären Regisseurs zu punkten. Dazu müssen ein paar Dinge gesagt werden. Erstens nennt sich der Mann Tarsem. Fragen Sie jetzt nicht "Und weiter?" - mehr will er uns im Vorspann nicht verraten (aber wir decken sowieso alles auf). Natürlich ist ein solcher Künstlername in kindischer Weise peinlich und scheinbar die neueste erbärmliche Modeerscheinung - der Regisseur von "Charlie´s Angels" heißt sich ja auch McG. Echt bescheuert, aber lassen wir das einstweilen.
Bekannt wurde Tarsem mit MTV-Videos. Das sieht man ganz deutlich, weil er einerseits Popträllerchen Jennifer Lopez engagiert hat (die zum Glück immer schon besser geschauspielert als gesungen hat) und andererseits die grauslichen Szenen in der für Horrorfilme scheinbar mittlerweile obligatorischen Marilyn-Manson-Optik inszeniert - und zwar als eindeutig erkennbares Plagiat. Der Rest der "opulenten Optik" hat nichts, was man nicht schon kennen würde, und die Story ist recht unglaubwürdig und eigentlich ziemlich blöd. Vincent D´Onofrio jedoch ist - wie immer - großartig. Und unterm Strich hat man nach "The Cell" wirklich nicht das Gefühl, 100 Schilling und zwei Stunden Lebenszeit für völlig unnötigen Schwachsinn vergeudet zu haben; im Gegenteil: Man kann sich gut amüsieren, auch wenn die Dialoge stellenweise ziemlich schwach sind und immer mit dem daherkommen, was einem als allererstes einfällt, und der Film inhaltlich und optisch ein kitschiges Flickwerk aus zusammengestohlenen guten Ideen ist.