Wie lustig sind sexuelle Probleme? Erraten, nicht sehr. Bernhard Ludwigs kabarettistische Therapiestunde (oder therapeutisches Kabarett) ist aber vor allem eines: garantiert klimaxfrei.
Schön, daß wir seit der sexuellen Revolution völlig offen und ungeniert über das Geschlechtsleben reden können - doch eigentlich ist uns schon seit Magnus Hirschfeld und Ed Gein nichts Menschliches mehr wirklich fremd und fern. Allerdings scheint Sex seither auch hauptsächlich Probleme zu machen. Da hilft im Informationszeitalter nur profunde Aufklärung und - reden, reden, reden. Damit dieser undankbare Job aber nicht mehr ausschließlich von drittklassigen Talkshows, einschlägigen Magazinen und TV-Sendungen à la "Wa(h)re Liebe" verwaltet wird, wollte offenbar Bernhard Ludwig auf den Plan treten, um Ordnung ins Chaos der Hormone und fleischlichen Lüste zu bringen. Ludwig, mit seiner Profession als Psychotherapeut mit Spezialgebiet Eßstörungen anscheinend nicht ganz ausgelastet, präsentiert daher aus Breitenwirksamkeitsgründen sein gleichnamiges Bühnenprogramm als Film zum heiteren Mitmachen, um die Heerscharen sexuell Frustierter endgültig von ihren Zwangsvorstellungen wie leidenschaftlichem spontanen Sex auf dem Fußboden oder romantischer Intimität zu befreien.
Mit akademisch-bürokratischer Verve und sozialtherapeutischem Charme nähert sich also der einsame Protagonist der staubtrockenen Materie. Der passendere Titel "Anleitung zum Gruppenseminar" gerät dabei durch penetrante Aufrufe an das (Kino-)Publikum, sich doch in der abgedunkelten Anonymität irgendwie "einzubringen" - Achtung: Interaktion ist superwichtig! - und Aufforderungen, danach das Gehörte mit dem Partner zu diskutieren, schnell zum Nervtöter. Aber schließlich begeben wir uns forschen Schrittes in die Niederungen der Kleinkunst, die im derzeitigen österreichischen Kabarett jenseits von Projekt X und Stermann & Grissemann immer wieder neue Untiefen der Geschmacklosigkeit durchwatet. Und so hangelt man sich durch die zwischengeschlechtlichen Krisen der 90er (oder waren es die 50er?) Jahre und bleibt von keinem Klischee verschont: die Mechanismen der Partnerwahl, Selbstbefriedigung, die Sache mit den weiblichen Kopfschmerzen (alt, aber immer gut), simulierte Orgasmen (ja, wir können was lernen aus "Harry & Sally"!), keine Orgasmen, Penislängen und - neu - Feng Shui als die Spanische Fliege des kleinen New-Age-Mannes etc.
Dazwischen zitiert Ludwig den Hite-Report und Watzlawick und blättert in den Megasellern der Fachliteratur: kurz im halbwegs interessanten "Krieg der Spermien", ein wenig länger in der neuen Bibel des beziehungsgescheiterten Durchschnittsbürgers, John Grays "Frauen sind von der Venus, Männer vom Mars" (oder umgekehrt). Wem das nicht reicht, der kann sich die nicht endenwollenden Minuten bis zum Schluß oder der davor einsetzenden Hirnlähmung mit ein wenig soeben eingelerntem Beckenbodentraining vertreiben. Der Erguß, ästhetisch umgesetzt mit konsequent durchgehaltener statischer Kamera in bester Ostblockmanier, gipfelt in der brandneuen Erkenntnis, daß Sex im Kopf beginnt und endet - vor allem dann, wenn man ihn mit Stereotypen niederquasselt. Auch wenn Ludwigs Motive hehre sind: dann lieber Oswalt Kolle und Helga - das ist Spaß und Heiterkeit!
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