Magere Aussichten

Science Fiction zählt zweifelsohne zu den interessantesten Gattungen moderner Literatur. Marcel Feige legt mit seinem gerade erschienenen Sekundärwerk den Versuch vor, das Genre auf knapp 100 Seiten zu umreißen.

Schon immer hat der Mensch von fremden Sternen, weit entfernten Galaxien, futuristischer Hi-Tech oder kleinen grünen Männchen geträumt. Dies alles und noch viel mehr wird heute prinzipiell unter dem Überbegriff "Science Fiction" zusammengefaßt. Das Genre ist in den letzten Jahrzehnten so gewachsen, daß eine genauere Definition wahrscheinlich mehrere hundert Seiten in Anspruch nehmen würde. Sowohl auf literarischer als auch auf filmischer Ebene unterscheidet man zwischen dermaßen vielen Subgenres und vor allem Vertretern derselben, daß man bereits ein paar Dutzend Bücher gelesen oder Filme gesehen haben muß, um die immense Weitläufigkeit dieser Richtung auch nur erahnen zu können. Marcel Feige, seines Zeichens sowohl Autor phantastischer Literatur als auch Kenner der Szene, hat es trotzdem probiert - und versucht dem geneigten Leser das Ergebnis seiner Studien nun auf knapp 100 Seiten darzulegen.

Um es kurz zu machen: Novizen in Sachen Science Fiction wird hier mit Sicherheit die ideale Möglichkeit geboten, sich mit dem Sujet vertraut zu machen. So werden grundlegende Begriffe wie Utopie bzw. Dystopie sowie deren Ursprünge ebenso erläutert wie geläufige Genrebezeichnungen à la "Space Opera" oder "Cyberpunk". Gerade bei letzterem schmerzt es jedoch, daß ein mit der Materie Vertrauter sich damit begnügt, William Gibson (siehe EVOLVER-Interview) als Urvater der Bewegung hinzustellen, ohne dessen Haupteinfluß John Shirley (siehe EVOLVER-Rezension) auch nur mit einem Sterbenswörtchen zu erwähnen.

Dafür wird mit angestaubten Namen wie Vonnegut, Morus und ähnlich antiquierten (aber nichtsdestotrotz lesenswerten) Vertretern der Zunft förmlich herumgeworfen. Wenigstens kommt auf diese Weise - wenn auch nur kurz - auch der viel zu oft vergessene Jewgenij Samjatin zu Ehren, der mit seiner großartigen Dystopie "Wir" seinem britischen Kollegen Huxley immerhin um einige Jahre voraus war. Auch auf die grundlegende Trennung zwischen sogenannter "Hard SF" und "Soft SF" wird nicht wirklich näher eingegangen, wobei gerade diese beiden Bezeichnungen das Genre ganz klar unterteilen können. Unverständlich bleibt ebenfalls, warum es Herr Feige größtenteils beim Rezitieren von bereits vorgekautem Wissen beläßt, statt die interessanten Entwicklungen und Veränderungen der SF seit den achtziger Jahren (also quasi die Post-Cyberpunk-Ära) ein wenig näher zu durchleuchten.

Fazit: Während Jungvisionären hier eine informative und leichtverständliche Einstiegsmöglichkeit in die "unendlichen Weiten" dieses faszinierenden Gebiets geboten wird, eignet sich das Büchlein für Fortgeschrittene in Sachen SF bestenfalls zum amüsierten Durchblättern zwecks nostalgischer Gefühlsanwandlungen bzw. Auffrischen wieder vergessener Fakten. Dabei hätte es doch so schön werden können...

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Über den Autor:
Marcel Feige, geb. 1971, lebt und arbeitet als Autor und freier Journalist in der Nähe von Köln. Er gilt als Experte für moderne Spannungsliteratur. Buchpublikationen u.a.: "Schatten über Deutschland - 100 Jahre deutschsprachige Phantastik" (Blitz-Verlag 1999), "Das Fantasy-Lexikon" (Lexikon-Imprint-Verlag 2000)