Exzesse und Prügeleien charakterisierten bisher den Weg des britischen Trios Placebo. Seit Erscheinen ihres gelungenen neuen Albums "Black Market Music" ist das anders - keine Drogen, dezente Zurückhaltung und politische Themen zeichnen jetzt ihren Stil aus.
Böse Zungen behaupten ja, ohne all die aufsehenerregenden Skandale und Skandälchen hätten Placebo nie den Ruhm erlangt, den sie in den letzten sechs Jahren einheimsen konnten. Andere Leute hingegen scheren sich nicht drum und hören einfach die intensiven Songs des britischen Trios rund um Brian Molko, die irgendwo zwischen aggressivem, schnellem Punkpop und melancholisch-depressiven Balladen pendeln.
Wie auch immer - Molko, Stefan Olsdal und Steve Hewitt melden sich mit ihrem mittlerweile drittem Album "Black Market Music" eindrucksvoll zurück. Diesmal geht die ehemalige "filthiest band in Britain" die Sache aber deutlich ruhiger an: keine Drogen mehr, das große Mundwerk wird gezügelt, und auch Politik ist ein Thema geworden. Vorbei sind die Zeiten wie zur berüchtigten US-Tour 1997, von der Molko damals meinte, man habe "eine Spur aus Blut und Sperma" hinterlassen.
War das selbstbetitelte Debüt noch ziemlich hart angelegt und schilderte überwiegend Sex- und Drogenszenarien, beschreibt das eher melancholische "Without You I´m Nothing" die Neben- und Folgerscheinungen dieses Lebensstils. Das neue, von Paul Corkett produzierte Album ist ziemlich breitgefächert, zeichnet sich durch eine unbekümmerte Art aus, ist insgesamt aber merklich politischer und realitätsnäher ausgefallen als alles bisherige. Zu den üblichen, gitarrenlastigen Nummern à la Sonic Youth gesellen sich auch einige mit Samples, Loops und anderen Digitaleffekten bearbeitete Tracks; eigentlich kein Wunder, denn Molko gibt als Inspirationsquellen unter anderem das aktuelle Primal Scream-Album "XTRMNTR", "Community Music" von der Asian Dub Foundation und "The Closer You Get" von Six By Seven an.
Die erste, absichtlich irreführende Single - "Taste In Men" - könnte genausogut von den Chemical Brothers stammen. Elektronischer Funk, beeinflußt von Paul-Oakenfold-Mix-CDs, macht die Nummer zum auffälligsten Track des Albums. Die gelungene zweite Single-Auskopplung "Slave to the Wage" ist hingegen eine typisch melodische Placebo-Nummer, eine Art neue Version des Bob-Dylan-Klassikers "Maggie´s Farm".
Politisch beeinflußt sind "Spite & Malice" und das wütende "Haemoglobin". Ersteres wurde von den May-Day-Aufständen inspiriert und beinhaltet einen Gastauftritt von One-Inch-Punch-Kopf Justin Warfield, der den gerappten Refrain "Dope, guns & fuckin´ in the streets" beisteuert. "Haemoglobin" (laut Molko Placebos Version eines Songs von Billie Holliday) ist aus der Sicht eines Schwarzen geschrieben, der in den späten 50ern in Amerika gelyncht wird.
Auch die persönliche Komponente kommt nicht zu kurz: Die düstere Ballade "Black-Eyed" zeigt sich als schonungslose Aufarbeitung von Molkos gestörter Beziehung zu seinen Eltern, während "Commercial for Levi" von einem Freund der Band erzählt, der an seiner Drogensucht zugrunde geht.
"Black Market Music" wird im großen und ganzen durchaus den hohen Erwartungen gerecht, die nach dem erfolgreichen Vorgänger in die Band gesetzt wurden. Schön, daß nach der mageren Musikausbeute im Sommer endlich wieder ein gelungenes, düsteres Rock-Album zu haben ist.
Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.
|