Zwischen Wahrheit und Phantasie

In seinem neuesten Buch "Fuselfieber" kann Bestsellerautor David Sedaris dank seinem abgedrehten Humor wieder mit 16 merkwürdigen Geschichten zwischen Alltag und Wahnsinn überzeugen.

In den letzten Jahren ist ein richtiger Hype um den 44jährigen US-Bestsellerautor David Sedaris entbrannt. Nach seinen pseudo-autobiographischen, absurd-witzigen Geschichten in "Nackt" und dem darauf folgenden Erzählungsband "Holidays on Ice", der sich äußerst kritisch mit dem wahnwitzigen Vorweihnachtsrummel in den USA auseinandersetzt, konnte vor kurzem sein neuestes Buch, "Fuselfieber", auf ein neues die Massen begeistern und schaffte es nicht nur in den USA prompt auf Platz eins der Bestsellerlisten.

In 16 Geschichten legt Sedaris es wieder darauf an, das Abseitige im Alltäglichen einzufangen und erzählt abwechselnd von haarsträubenden wahren Begebenheiten und gewagt-kühnen Erfindungen. Die Erzählungen reichen von der Story eines gewissen David, der als Putzmann die Emmy-Trophäen eines "Sesamstraße"-Texters abstaubt und daraufhin vor dem Spiegel seine einstudierte Dankesrede dafür hält, über den Mann-von-der-Straße Don, der aus Langeweile so ganz nebenbei ein großer Star in Hollywood wird und seine Lebensgeschichte verfilmen läßt, bis zur eher unbekannten Riege von Autoren, die für Special-Interest-Pornoblätter wie "Giantess" Geschichten erfinden, in denen sich Frauen aufgrund ihres immensen Wachstums die Kleider vom Leib reißen.

Damit nicht genug, erfährt man von den familiären Differenzen, die sich beim Schreiben einer Grußkarte an die lieben Verwandten ergeben, inklusive im Vietnamkrieg gezeugter Tochter, die ihrem Vater und Halbbruder nachstellt; oder von den Problemen, mit denen überzeugte Raucher tagtäglich zu kämpfen haben - nämlich nichtrauchende Mitmenschen, die nichts Besseres zu tun haben, als sie über die negativen Folgen des Rauchens zu belehren. Auch vom Schicksal eines jungen Mannes, der zuerst als Mechaniker, dann als Tankstellengehilfe und schließlich als in Autoschläuche gezwängtes lebendiges Michelin-Männchen sein Geld verdienen muß, wird man nicht verschont.

Sedaris läßt in "Fuselfieber" seinem gewohnt sozial-satirischen Humor freien Lauf und übertrifft damit bei weitem die Absonderlichkeiten eines John Irving. Das Buch läßt den Leser mit einem irritierten Lächeln zurück - und mit der Tatsache, daß der Wahnsinn dort zu Hause ist, wo man ihn am wenigsten erwartet. Die Geschichten sind gut und fließend erzählt, manche besser, andere schlechter gelungen; sie wurden von Harry Rowohlt, der mittlerweile bekannter sein dürfte als die meisten Autoren, deren Bücher er ins Deutsche übertragen hat, in bewährter Qualität mit viel Sprachwitz und Humor übersetzt. Gewöhnungsbedürftig, aber absolut empfehlenswert.

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Über den Autor:
David Sedaris, geboren am 26. 12. 1956 in Johnson City, New York; lebt zur Zeit in Paris und in der Normandie; Stückeschreiber, Rundfunkkommentator, Erzähler.