Keine Schonzeit für Daumennägel und Fingerkuppen! Konamis Pionier in Sachen Mehrkampf-Sportspiel treibt uns mit altbekanntem Steuerungsirrsinn zu olympischen Höchstleistungen im Daumendrehen. "International Track & Field Summer Games" ist purer Hardcore für Joypad-Athleten.
H. Royce ist ein Sprinter, wie man ihn sich wünscht: ein farbiges US-Muskelpaket, das die 100 Meter sicher locker unter zehn Sekunden schafft. Nur ein Narr würde bei Konamis Neuauflage des gepflegten Konsolen-Zehnkampfes einen der elf anderen Laufburschen wählen, wenn es um Gold, Silber und Bronze geht. Alles klar? Wunderbar…
Und tatsächlich: Royce (den man per Namenseingabe auch umtaufen kann, z. B. in Speedy G.) stellt sich geschmeidig wie ein Puma in den Startblock. Player 1 am Joypad hat im coolen Tutorial-Intro - Lob und Dank an die Entwickler von KCEO! - gelernt, wie man die letzten Reserven aus dem Weltklassesprinter herauskitzelt: Abwechselndes Drücken zweier C-Tasten macht dem Ami Beine, heißt es da. Na dann los.
Vorfreude kommt auf. Die FMV-Sequenz vor dem Start ist erstklassig, wie überhaupt die gesamte Präsentation des quasi-olympischen, nicht vom IOC lizensierten Konami-Sportspektakels. Optisch wird man dank Expansion-Pak-Unterstützung richtig verwöhnt: Video-Intro, Replay, Sportler-Animationen - alles vom Feinsten. Aber dann die Ernüchterung: Unser Sprinter wird auch durch noch so flinkes Drücken nicht schneller. Mister Royce fehlt es nicht nur an einem Rolls im Vornamen, sondern vor allem an Speed. Der Daumen glüht bereits, der Zeigefinger macht´s auch nicht besser. Joypad-Verrenkungen, Handwurzelschmerzen, Flüche - nichts hilft. Der Ami stagniert, die Gegner enteilen, und in der Ergebnisliste steht immer wieder ein fettes "Disqualified". So ist ein Laufsieg unmöglich, von Edelmetall ganz zu schweigen.
Was tut man also in dieser ausweglosen Situation? Richtig, man improvisiert. Und lernt dabei, daß nur völlig enthemmtes Rubbeln über die C-Tasten den gewünschten Erfolg bringt. H. Royce siegt im ersten Versuch in 10,35, was gar nicht schlecht ist, aber noch lange nicht für Bronze reicht. Denn die Vorgaben in einzelnen Disziplinen sind doch extrem hart, vor allem, wenn man Gold anpeilt.
"International Track & Field Summer Games" ist sicher auch steuerungstechnisch kein schlechtes Spiel. Irgendwie schafft man natürlich in jedem der zehn Bewerbe - plus vier zum Freispielen - den Sprung aufs Stockerl. Aber richtig Spaß macht die Geschichte eigentlich nur im Multiplayer-Modus, wo vier Joypad-Athleten gleichzeitig ran dürfen. Diese Mehrspieler-Duelle gehen im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut (wir wissen: Rubbeln, hektisches Drücken, spastisches Gesamtbild). Und kurz vor dem finalen Fingerbruch stellt sich natürlich die Frage, wozu man eigentlich wie ein Volltrottel auf dem Plastik herumhämmert.
Lobend erwähnen muß man an dieser Stelle, daß im neuen Konami-Game Disziplinen eingebaut wurden, die für viel Abwechslung sorgen: Neben klassischen Leichtathletikdisziplinen (100 m, 100 m Hürden, Weit-, Hoch- und Stabhochsprung, Hammer- und Speerwerfen) und Schwimmbewerben (100 m Kraul bzw. Brust) darf man sich auch als Kunstturner (Reck, Pferdsprung) mit der Weltelite messen, die sich mangels Lizenz aus Phantasieathleten zusammensetzt. Zur Verfügung stehen ein "Trial Mode", mit dem man eine Sportart frei wählen kann und ein fordernder "Championship Mode" für acht Events.
Zu den Pluspunkten des Games zählen neben den realitätsnahen Bewegungen der virtuellen Sportler auch die anspruchsvollen Geschicklichkeitsaufgaben in Disziplinen wie Hochsprung oder Reckturnen. Hier muß man meist zwei oder mehr Bewegungsabläufe (Anlauf, Absprungstelle, Absprungwinkel, Aufschwung etc.) per Tasten-/Joystickdruck-Controller-Eingaben aufeinander abstimmen.
Das neue "International Track & Field" ist in leicht abgewandelter Form auch für PlayStation und Dreamcast erschienen. Diese Umsetzungen reichen allerdings weder optisch noch spielerisch an die Nintendo-64-Version heran.