Meist sind es ganz kleine Dinge, die einen zweifeln machen - ein Déjà vu, scheinbar bekannte Gesichter in der U-Bahn - und die Überraschungen, wenn sich lange Vorgenommenes plötzlich als längst erledigt herausstellt. Traum oder Wirklichkeit? Eine Raum-Zeit-Verzerrung? Zuckerschock? Möglicherweise gibt es auch andere Gründe.
Frank Christchurch ist Polizist - und besessen von einem Gedanken: Trent Wayman, ein bestialischer Serienkiller, muß zur Strecke gebracht werden, koste es, was es wolle. Wayman ist schnell und hinterläßt außer seinen in Tschikatilo/Hannibal-Manier zerstückelten und grausam zugerichteten Opfern, die er gleich gruppenweise abschlachtet, keinerlei Spuren. Frank ist von Waymans Schuld überzeugt und will ihn um jeden Preis unschädlich machen. Doch er befindet sich mit diesem Vorhaben ziemlich allein auf weiter Flur: Die Beweismittel reichen bei weitem nicht aus, und der Polizeiapparat besteht aus einer Bande korrupter Junkies, die sich ihre Zeit am Revier mit der Vergewaltigung Festgenommener vertreiben.
Außer seiner Besessenheit, die Frank manisch nach Wayman suchen läßt, gibt ihm nur seine Partnerin, Detective Debbie Thorogood, noch etwas Rückhalt. Doch plötzlich findet er eine Spur: Ein junger Junkie scheint etwas zu wissen, redet aber nicht - trotz exzessiver Gesichtsmassage mit Franks Pistolenknauf.
Doch Frank hat nicht nur dieses Problem. Seine Realität verschwimmt. Als er Trent Wayman auf einem seiner mit Blut und Gedärmen getränkten Mordschauplätze stellt und verfolgt, verschwindet der Verdächtige einfach vor seinen Augen. Dazu tönen noch Stimmen im Kopf des Polizisten, Regen tropft einfach durch seine Handflächen, und sein Wohnzimmerteppich verwandelt sich plötzlich in einen mörderischen Abgrund schwarzen Wassers, bevölkert von hungrigen Fischmonstern. Und was bedeutet das rätselhafte Zeichen "LD 50", das mit Blut an Türen und Wände der Tatorte geschmiert wurde? Was ist real - und was nicht?
Warren Ellis, Autor der momentan besten Comic-Serie "Transmetropolitan", zeigt sich hier von seiner Hard-Boiled-Seite und läßt seinen Protagonisten als Getriebenen in einer moralisch verkommenen Welt den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Illusion suchen. Zeichner Jacen Burrows setzt die brutalen und surrealen Szenen der Story - komplett in Schwarzweiß gehalten - recht solide, aber auch ein wenig konventionell um. Sehr der "Matrix"-Thematik verwandt, aber ohne deren philosophische Tiefe, wirkt "Dark Blue" zwar ein wenig schlampig und schnell hingerotzt, kann aber auf jeden Fall als einer der besten neuen Comic-Bände gelten.
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