Beim Tarnen und Täuschen der in Panama versammelten richtigen und falschen Geheimagenten kann es schon passieren, daß man sich in den eigenen Fallstricken verheddert. John Boormans Blick hinter die Kulissen ist keine typische Komödie, aber unterhaltsam.
Parodien auf die ohnehin oft am Rande der Selbstpersiflage dahinschrammende Kinowelt der Geheimagenten gibt es einige. In diesem Fall versucht sich Altregisseur John Boorman, der mit seinen knochentrockenen Meisterwerken "Point Blank" und "Deliverance" Filmgeschichte schrieb, weniger am üblichen absurd-überdrehten Humor, sondern an einer zwischen gediegen und grotesk schwankenden Realsatire.
In Panama City beobachten vorwiegend strafversetzte Agenten hauptsächlich - nichts. Nach Noriegas Ende versucht die herrschende Klasse mit ihrem neuen Reichtum und möglichst wenig Politik nämlich zu bequemer Ruhe zu finden. In diesem System hat der Ex-Ganove Harry Pendel (Geoffrey Rush) als Haus- und Hofschneider eine angesehene Position sowie eine liebende Ehefrau mit solid-amerikanischem Background (Jamie Lee Curtis). Er besitzt ein auf englisches Traditionshaus aufgemotztes Geschäft, ein Haus, eine heruntergekommene Ranch und zwei kleine Kinder. In diese Idylle dringt plötzlich Osnard (Pierce Brosnan), ein skrupelloser MI-6-Mann, und erpreßt ihn, denn Harry hat aus verständlichen Gründen seine wahre Herkunft verschwiegen. Jetzt sieht er sich aus Mangel an tatsächlichen Informationen gezwungen, Osnard mit frei erfundenem Material zu beliefern, bei dem ihm die Freundschaft mit zwei Ex-Widerstandskämpfern, dem heruntergekommenen Trinker Abraxas (Brendan Gleeson) und seiner entstellten Assistentin Marta (Leonor Varela), und der Job seiner Frau ziemlich gelegen kommen. Zudem erweisen sich die gefaketen Fakten als lukrative Einnahmequelle - für beide Seiten. Im Verlauf des Films nimmt das Lügengebäude, das Osnard für eigene Zwecke geschickt manipuliert, immer monströsere Ausmaße an, die fatale Nebenwirkungen auf das Private wie auch die große (Geheim-)Politik haben. Und seltsame Ereignisse nehmen ihren Lauf.
Gedacht ist die Verfilmung des John-Le-Carré-Romans als ironische Abrechnung mit Geheimdiensten und ihrer Geschäftemacherei, wobei besagte Geschäfte natürlich alle erdenklichen Dimensionen beinhalten. Im korrupten Panama begegnen sich also fast ausschließlich skrupellose, ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil bedachte Fädenzieher, die sich gegenseitig benützen und manipulieren. Das Gute und Idealistische bleibt dabei naturgemäß auf der Strecke. Im wesentlichen konzentriert sich das stellenweise unbeholfene Treiben auf die beiden Hauptdarsteller Rush und Brosnan. Letzterer darf hier sozusagen die abgründige Seite der weniger glamourösen James Bonds dieser Erde ausspielen: ein aalglatter Ungustl mit sexistischen Macho-Sprüchen, der aus seiner Menschenverachtung kein Hehl macht und in keiner Sekunde sympathisch wirken will, auch wenn er mit den üblichen Attributen ausgestattet ist. Geoffrey Rush ist dafür im Grunde seines Herzens eine kindlich-romantische Seele, die hier ein wenig aussieht wie der ältere Bruder von James Woods.
Trotz Witz hapert es im "Schneider von Panama" jedoch manchmal mit dem Lachen. Das liegt einerseits daran, daß der ernste Background immer wieder in Form recht realistischer Verweise (Noriega-Diktatur etc.) einfließt, andererseits aber an der Machart. Bei Boormans neuem Werk handelt es sich um Erzählkino der alten Schule. Die Story, wie es so schön heißt, entwickelt sich so nach und nach, entblättert die Protagonisten in zahlreichen Wendungen, setzt eher auf Dialoge und handwerklich perfekte Bilder statt auf Action und präsentiert große Namen: den Schriftsteller Harold Pinter in einer Nebenrolle, John Le Carrè als Drehbuch-Koautor und gute Schauspieler in Bestform. Das mutet stellenweise ein bißchen anachronistisch an und ist vielleicht der Grund dafür, daß die an sich witzige Sache nicht immer in Fahrt kommt. Der Film ist aber weder inhaltlich noch optisch verstaubt, es fehlen höchstens ein paar Ecken und Kanten - oder die hysterische Rasanz des thematisch verwandten (und unterschätzten) Barry-Sonnenfeld-Meisterstücks "Wag the Dog". Ein Faible für diese Art von Qualitätskino schadet also beim Ansehen nicht.
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