Nachdem seit kurzem ein Remix-Album der Absoluten Beginner zu haben ist, sind auch Tocotronic auf den Geschmack gekommen und präsentieren auf "KOOK Variationen" knapp 20 Remixe von ihrer letzten CD.
Remixe gibt es heutzutage wie Sand am Meer; in vielen Fällen sind sie jedoch nur als Draufgabe auf Singles oder in Bootleg-Form erhältlich. Ab und zu erscheinen aber doch komplette, offizielle Remix-Alben, wie etwa von Nine Inch Nails, Bush oder auch Absolute Beginner. Jetzt ist auch eines von Jan Müller, Arne Zank und Dirk von Lowtzow - alias Tocotronic - auf dem Markt. Und da man dabei den durchwegs prominenten Remixern komplett freie Hand gelassen hat, sind die Variationen von "KOOK" sehr unterschiedlich geworden. Das blinde Vertrauen wurde belohnt: Einige der Stücke wurden komplett aus dem Rock-Zusammenhang gerissen und zu neuen, kuriosen Nummern, denen man das Original nicht mehr anmerkt, zusammengesetzt; andere hat man lediglich etwas auseinandergenommen und um einige Elemente erweitert.
DJ DSL zum Beispiel beginnt seine "Let There Be Rock"-Variante mit schnellen Beats, wechselt den Stil dann aber schlagartig und läßt Dirk von Lowtzow eine Barpiano-Jazzversion singen. Dakar & Grinser hingegen verpassen dem Song ein Elektronik-NDW-Outfit, während Fevers nerviger Mix von Drum´n´Bass und Roboterstimmen geprägt ist. Vergleichsweise wenig verändert wurde an den beiden "Jackpot"-Versionen von Thomas & Dettinger und Fischmob/Erobique, die lediglich ein wenig beschleunigt und baßlastiger bzw. träumerischer wurden. Funkstörung nahmen sich "Morgen wird wie heute sein" vor und machten daraus eine Breakbeat-Nummer; Justus Köhncke (Whirlpool Productions) fiel über die englische Version des Songs her; Arne Zank persönlich verwandelte "Tag ohne Schatten" in einen netten Karibik-House-Track. Wirklich gut gelungen ist die Downbeat-Version, in die Electronic Mojo vs. Phoneheads "Das Geschenk" umarbeiteten - in diesem Fall kann man wirklich von einer Variation und nicht nur von einem Remix sprechen.
Das Image, das sich die drei Mitglieder der Hamburger Band Tocotronic in den letzten paar Jahren hart erkämpft haben, dürfte schon längst nicht mehr zutreffen. Seit dem letztjährigem Album "KOOK" tragen sie statt Adidas-Jacken nur noch dezentes Schwarz, haben ein wenig den Ruf bekommen, eitel und überheblich geworden zu sein, und sind der elektronischen Musik anscheinend doch nicht so abgeneigt, wie man ursprünglich annehmen mußte. Unwahrscheinlich, aber möglich - vielleicht steht ja überhaupt ein Wechsel in etwas elektronischere Gefilde à la Radiohead an, und die Console-Single "Freiburg V3.0" sowie das Album "KOOK Variationen" sollen sozusagen als Vorwarnung dienen.
Ob Tocotronic mit "KOOK Variationen" den Nerv der eingefleischten Fans treffen, ist fraglich - diese sind nämlich mitnichten nur im Indie-Rock-Sektor zu finden. Auch Elektronikhörer werden nur teilweise Freude mit dem Album haben, da man Tocotronic doch wenigstens ein bißchen mögen sollte, um mit den Remixen etwas anfangen zu können. Somit ist die Scheibe trotz teilweise hochqualitativer Mixes eine zwiespältige Sache, aber immerhin eine interessante, gelungene Fusion aus Rock und Elektronik.
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