Der japanische Fantasy-Klassiker "Zipang" liegt nun erstmals auf DVD vor. Und er berichtet von übernatürlichen Ninjas, Bergen von Gold - und was Marco Polo mit all dem zu tun hat.
Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger schien es so, als hätten Hongkongs Filmemacher das Fantasy-Genre für sich gepachtet. Mit Filmen wie "A Chinese Ghost Story", "The Bride with White Hair" oder "Butterfly and Sword" erkletterten sie den Olymp des verdrahteten Kung-Fu-Märchens und erzählten Geschichten von fliegenden Schwertkämpfern, bösen Geistern, dem König der Affen und darüber, was man mit Nähnadeln so alles anstellen kann. Dann kam "Zipang" - und Japan begann ein wenig am Thron von Tsui Hark und Konsorten zu rütteln.
Basierend auf Marco Polos Japan-Reiseaufzeichnungen geht es in diesem Film darum, die Phantasiewelt Zipang zu entdecken. Der Schwertkämpfer Jigoku macht sich auf die Suche nach der legendären Stadt aus Gold. Als er eines Tages in einer Höhle ein goldenes Zauberschwert entdeckt, ahnt er noch nicht, daß er damit gleichzeitig einen Schlüssel in das sagenumwobene Zipang gefunden hat. Gerade als sich die Kopfgeldjägerin Yuri in den Draufgänger zu verlieben beginnt (statt ihn - wie ursprünglich geplant - zu töten), werden die beiden von einem Haufen wilder Ninjas angegriffen, und sowohl Schwert als auch Yuri werden von den Schattenkriegern entführt und in die Parallelwelt Zipang versetzt. Jigoku muß sich also nun auf die Suche nach der Dame seines Herzens machen und bei dieser Gelegenheit gleich die tolle Waffe zurückholen.
Hayashi schuf mit "Zipang" ein äußerst farbenprächtiges Märchen-Spektakel in Hongkong-Manier, das von Fans des asiatischen Films schnell ins Herz geschlossen wurde und seither als Kultfilm gilt. Der Regisseur verstand es auf äußerst unterhaltsame Art, beliebte Filmmotive, historische Elemente sowie traditionelle Waffen ins "Märchenland" zu transportieren. So benutzen die bösen Ninjas zum Beispiel Feldstecher mit eingebautem Zoom und der Möglichkeit, zu photographieren. Die so entstandenen Bilder werden schließlich in einem modifizierten Wurfstern deponiert, der sie dann brieftaubenmäßig beim Auftraggeber abliefert. Zusätzlich gibt es Schwerter aller Art (eines davon sieht verdächtig nach Pop-art-Kleiderständer aus) sowie die unterschiedlichsten Gadgets, bei deren Ansicht vermutlich sogar Batman neidisch würde.
Die Figur der toughen Kopfgeldjägerin "Yuri the Pistol" (gespielt von Yasuda Narumi, die man aus dem ungewöhnlichen Vampirfilm "My Soul Is Slashed" kennen sollte) weckt vage Erinnerungen an die Rolle Nakadei Tatsuyas in "Yojimbo", wenn sie mit dem Lauf ihrer Waffe herumwedelt. Selbst der strahlende Held Jigoku könnte im weitesten Sinne durchaus als Musashis kleiner Bruder durchgehen. Auch sonst findet man in "Zipang" zahlreiche filmische Zitate; schon der Name des wackeren Helden, Jigoku (japanisch: Hölle), bezieht sich auf (inzwischen) drei gleichnamige und durchaus beeindruckende japanische Filme. Außerdem begegnet der Jüngling gleich in einer seiner ersten Schlachten unter anderem einem Cyrano-de-Bergerac-Klon, Tange Sazen, Zatoichi und Itto Ogami.
Hayashi, dem wir übrigens auch die herrliche Persiflage auf Krimis der schwarzen Serie, "The Most Terrible Time in My Life" verdanken, liefert mit "Zipang" Unterhaltungskino für jede Altersstufe, dessen Mangel an originellen Handlungsideen durch amüsante Absurditäten allemal wettgemacht wird. Allein die Tatsache, daß Jigokus Räuberbande ständig von einem (offensichtlichen) Gummi-Elefanten begleitet wird, sollte dies deutlich machen.
Hinter dem Label Pagan Films, das in naher Zukunft auch noch drei "Roman Porns" aus dem Hause Nikkatsu sowie Suzuki Seijuns "Gate of Flesh" auf DVD veröffentlichen wird (es darf frohlockt werden), steckt nebenbei bemerkt niemand geringerer als Pete Tombs, Autor von "Immoral Tales" und "Mondo Macabro", zwei sehr zu empfehlenden Büchern über den europäischen Sex- und Horrorfilm von 1956 bis 1984 bzw. das asiatische Kino. Man merkt also, daß sich da zur Abwechslung einmal jemand Gedanken gemacht hat.
Die "Zipang"-DVD wartet mit tadelloser Bild- und Tonqualität auf, die einblendbaren englischen Untertitel sind problemlos zu lesen. Nur beim Zusatzmaterial wurde leider gespart, denn abgesehen von ganz nützlichen Star-Biographien und einer netten Standphotogalerie gibt es nicht einmal den Trailer zum Film. Aber man muß schon froh sein, daß es dieser Streifen überhaupt auf eine Silberscheibe geschafft hat; für unsere analogen Freunde gibt es ihn übrigens auch auf Magnetband.
Wer auf asiatische Fantasy steht und sich an dem einem oder anderem "cheezy" Effekt nicht stört, sollte "Zipang" keinesfalls versäumen!