In einer Zeit, in der sehr viel Schmarren nach dem Motto "Hauptsache billig" auf DVD veröffentlicht wird, freut man sich besonders über jene Ausnahmen, die die Regel bestätigen. In Rußland z. B. besinnt man sich nun einiger vergessener und in der westlichen Hemisphere wenig bekannter Klassiker und veröffentlicht diese Perlen auf technisch perfekten DVDs, die mit einer Unmenge Extras aufwarten.
Mit der Veröffentlichung von "Wij" ist es nun endlich auch dem westlichen Horrorfan vergönnt, einen der absoluten Meilensteine des Genres in perfekter Bild- und Tonqualität zu entdecken. Die äußerst werkgetreue filmische Umsetzung einer Kurzgeschichte von Nikolai Gogol, die bereits Mario Bava zu "Black Sunday" alias "The Mask of Satan" alias "Die Stunde, wenn Dracula kommt" inspirierte, wartet mit visuellen Tricks und einer erlesenen Kameraarbeit auf, die selbst hartgesottene Hammer- und Italo-Gothic-Horrorpuristen in Begeisterungsstürme ausbrechen lassen werden. Atmosphärisch sehr stark an die Giallo-Highlights Bavas erinnernd, wirken manche Situationen und Kreaturen der Schattenwelt in "Wij", als wären sie direkt den bizarren Bildern eines Francisco Goya entsprungen. Inszeniert mit der für Rußland typischen augenzwinkernden Schwermut, gelingt diesem Film die perfekte Gratwanderung zwischen Satire und Schauerstück. Das Ganze ist dann noch legerment angetrasht, was schlußendlich den ultimativen Überkick ausmacht!
Handlungstechnisch geht es um den trinkfesten Theologiestudenten und Philosophen Choma Brut, der eine Hexe halb totschlägt, nachdem sie ihm übel mitgespielt hat; später erkennt er sie dann in der eben verstorbenen schönen Tochter des örtlichen Großgutsherrn wieder, um deren Seelenheil er beten soll. Die folgenden drei Nächte werden für den Protagonisten zum Horrortrip. Die filmische Umsetzung der Geistererscheinungen gehört definitiv zum Besten, was in dieser Richtung jemals auf Zelluloid gebannt wurde, wobei die dritte Nacht sogar Erinnerungen an Jean Cocteaus "Die Schöne und das Biest" wach werden läßt.
Inszeniert wurde "Wij" im Jahr 1967, einer Zeit, in der das damals kommunistische Regime der UdSSR die Auflagen für Filmschaffende etwas gelockert hatte, wodurch alle Beteiligten ihren Vorstellungen freien Lauf lassen konnten. Regisseur Aleksandr Ptushko (1900-1973) lieferte bereits im Jahr 1966 mit dem Fantasy-Knaller "Story About Czar Saltan", der ebenfalls in dieser DVD-Reihe erscheinen soll, ein Brett an Genialität ab. Der für das Drehbuch von "Wij" verantwortliche Georgi Borisovich Kropachyov (geb. 1930) zeichnete u. a. für den 1998 entstandenen "Chrustaljow, meinen Wagen!" (eine Parabel mit Schräglage über die Zustände im heutigen Rußland, vor einiger Zeit im Sender Ihres Vertrauens ARTE ausgestrahlt) als Production Designer verantwortlich.
Nikolai Gogol (1809-1852) nach dessen Kurzgeschichte "Wij" der Film entstand, gilt als Begründer des Realismus und war ein Freund Puschkins. Sein Hauptwerk "Die toten Seelen" blieb unvollendet, nachdem er im religiösen Wahn den zweiten Teil vernichtete, wie übrigens auch die meisten seiner anderen Manuskripte. Gar nicht auszudenken, was Leser und Filmfans da alles verpaßt haben...
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