Vor einem Vierteljahrhundert reichte ein Film über einen einzigen Hai, um das amerikanische Badevolk wochenlang von den Stränden fernzuhalten. Soviel Erfolg war Regisseur Renny Harlin mit seiner Unterwasser-Blutoper "Deep Blue Sea" nicht beschieden.
Harlin ("Nightmare on Elm Street 4", "Die Hard 2") läßt - im Gegensatz zu Killerfisch-Pionier Steven Spielberg - in seinem Action-Streifen jede Menge Haie auffahren, und noch dazu genetisch hochgezüchtete Mordmaschinen mit Verstand. Trotz allem gelang ihm mit "Deep Blue Sea" jedoch kein hochkarätiger Tiefsee-Thriller, in dem unsere "tiefste Angst auftaucht", wie es der Trailer verspricht, sondern eine bisweilen recht ansehnlich photographierte Ansammlung von Action-Klischees und zwischenmenschlichen Plattheiten.
Der Horror funktioniert nicht, weil die von Harlin präsentierten Special-effects-Digitalmonster nicht wie echte Haie aussehen und weil die Science-Fiction-Story seelenlos und ohne Realitätsbezug erzählt wird. Obwohl Regisseur Harlin da anderer Meinung zu sein scheint: "Mein Hauptaugenmerk richte ich darauf, Story und Figuren absolut realistisch darzustellen. Dadurch erscheint auch die Bedrohung, die von den Haien ausgeht, als real. Es geht in diesem Film, in dieser Situation letztlich um Menschen wie dich und mich."
Glauben Sie mir: der Mann lügt. Keiner von uns kennt solche Leute. Der Plot: Auf der künstlichen Forschungsinsel Aquatica vor der Küste Floridas arbeiten Wissenschaftler an einem Mittel gegen die Alzheimer-Krankheit. Die besten Erfolgsaussichten verspricht ein aus dem Gehirngewebe von Haien gewonnenes Extrakt. Um die Ausbeute zu erhöhen, züchtet Dr. Susan McAlester (Saffron Burrows) eine Hairasse mit vergrößertem Gehirn, die sich als gefährlich intelligent erweist. Während ein Sturm über die Aquatica hinwegzieht, schlagen die Super-Haie zurück, legen die Station in Trümmer und machen Jagd auf die Menschen. " 'Deep Blue Sea' ist ein Actionthriller von epischen Ausmaßen - und zufällig auch ein Horrorfilm", sagt Harlin. "Es handelt sich nicht um einen SF-Streifen im Sinne von Weltraumabenteuern. Haie sind sehr reale Lebewesen, und wir teilen den Lebensraum Erde mit diesen Raubtieren."
"Vor 'Deep Blue Sea' war ein Hai-Film gleichzusetzen mit Köpfen über Wasser und Unterwasseraufnahmen aus der Sicht des Hais. Das Tier sieht paddelnde Hände und Füße - das läßt nicht viele Variationen zu", erinnert sich Autor und Produzent Akiva Goldsman, der von Warner Brothers während der Drehvorbereitungen konsultiert wurde. "Doch in unserer Story geht es um eine sinkende Laborinsel. Um vor den Haien zu flüchten, paddeln und schwimmen die Leute nicht nur. Hier hechten sie durch brusttiefes Wasser, springen auf Regale und klettern Wände hinauf, während die Haie nach ihren Füßen schnappen. Das ist gruselig, originell, und wir setzen Aufnahmetechniken ein, die es bis vor kurzem noch gar nicht gab." Wie jeder Horrorfilm, in dem mutierte Tiere die Bösen sind, versteht sich auch "Deep Blue Sea" irgendwo als Warnung vor den Folgen der Genmanipulation. Das ist er nicht einmal ansatzweise - sondern ganz einfach nur ein schlechter Film. Das Drehbuch hätte gerade für ein billiges B-Movie gereicht - und als solches wäre "Deep Blue Sea" vielleicht auch gar nicht uncharmant gewesen; stattdessen aber kommt er als Pseudo-Blockbuster daher. Das kann eigentlich nur schiefgehen, denn teure Computertricks und ein paar überraschende Gore-Effekte können die brüchige Thriller-Fassade nicht zusammenhalten. So ungefähr würde es aussehen, wenn Roland "Ich tötete Godzilla" Emmerich die Remakes von "Der weiße Hai" und "The Abyss" zu einem einzigen Film verwurschtet hätte: von allem etwas, bis der Fischkopf stinkt.
Das Horrorkino ist voll von abgebissenen Armen, aufgeschlitzten Kehlen und Badegästen, die als zerkaute Leichen wieder an Land kommen. In dieser Kategorie kann auch "Deep Blue Sea" punkten. Absonsten ist er "für die Fische", wie Doktor Trash zusammenfassend anmerken würde.
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