Ein Fall für den CIA oder den MAD oder gar den gefürchteten österreichischen Heeresnachrichtendienst? Mitnichten. Denn die Damen und Herren von der "Internationalen Lärmverschwörung" haben mit ihrem neuesten Sound-Angriff lediglich unsere Lauscher im Visier. Ein echter Lausch(er)angriff also, dafür aber garantiert ohne Rasterfahndung.
Immer diese Skandinavier! Schön langsam fängt r.evolver sich zu fragen an, ob die da oben im hohen Norden schon jemals einen DJ gesehen haben. Und er denkt sich im stillen Kämmerlein (weil laut sagen darf man so etwas in Wien nicht): Möchten nicht einige Herrschaften von hier nach dort auswandern und ein wenig missionieren? Wir könnten ja im Gegenzug ein paar Schweden bei uns aufnehmen; nebst Verstärkern, Schlagwerken, Elektrogitarren und all dem Klimbim, der halt noch so dazugehört, versteht sich. Ich würde mich sogar bereit erklären, die tägliche Ration Knäckebrot mit meinem kärglichen Einkommen zu finanzieren, und vielleicht finden sich weitere hilfsbereite Bürger, die unter Umständen willens wären, den Aufenthalt unserer Gäste aus dem hohen Norden angenehm zu gestalten ... aber ich verliere mich. Eigentlich will ich ja nur sagen, daß die nordische Innovationsfreude in Sachen Rock´n´ Roll der zeitgenössischen Schule ungebrochen scheint, denn sie manifestiert sich mit "Survival Sickness" aufs neue.
Das erste Album der jüngsten Kinder der schwedischen Burning-Heart-Familie rollt nicht schlecht auf den Schienen vieler Lehrherren daher, ist aber trotz aller Vielfalt eine homogene, dichte Werkschau der neuen Generation. Und weil das alles ohne Sinn keinen Sinn macht, verweben die verschwörerischen Brüder und Schwestern ihre Lieder mit Inhalten, die auch den intellektuellen Durst stillen (so man durstig ist). Apropos: Interessanterweise heizte uns Frontman Dennis Lyxzén vor nicht allzu langer Zeit mit seiner Ex-Combo Refused nicht unbedingt intellektuell, aber trotzdem sehr ordentlich ein. Wie schon angedeutet - Hand in Hand mit seinen internationalen Lärmverschwörern und Verschwörerinnen heizt er ein bißchen weniger stark, dafür aber um so überlegter und reifer, wenn auch nach wie vor mit rauher Stimme. Die Leute im Norden wissen halt, wie man den Kampf gegen die Kälte gewinnt.
Es knistert und knackelt schon in r.evolvers Herzlein bei "I Wanna Know About U", dem Anheizer (oder Fidibus) der Silberscheibe, und wenig später brennt recht fröhlich das dritte Scheit, "Smash It Up", das ich dem geneigten Leser trotz der sommerlichen Temperaturen als Heiztip besonders ans Herz legen möchte.
Wie gesagt, in den Songs spiegeln sich dermaßen viele Einflüsse, daß es schwerfällt, diese komplexen "Organismen" zu sezieren und ihre einzelnen "Organe" genauer unter die Lupe zu nehmen, aber glauben Sie dem alten Rock-Pathologen r.evolver eines - es macht unheimlich Spaß. Vom unverwechselbaren Gitarrensound der frühen Beatles ("Only Lovers Left Alive") bis hin zur Golden-Earring-Baßattacke ("Do I Have to Spell It Out") wird geschickt im Schatzkistlein der frühen Tage gekramt, zerlegt, getüftelt, wieder zusammengebaut und - denn das allein wär´s ja nicht - sehr "punky" weitergedacht und auch weiterentwickelt, ohne auch nur einen wesentlichen Beitrag der letzten dreißig Jahre auszulassen. Und das alles geschieht so unauffällig wie einst bei Bobby Lugano - Sie erinnern sich, das war der Zauberkünstler im ORF (der mit dem Strolchi und dem Zaubersalz).
Statt wie früher vor dem Schwarzweißgerät sitze ich dieser Tage staunend vor den Boxen und frage mich erstens, wie die Lärmverschwörer das gemacht haben, und zweitens, welchen Song/Sound/etc. sie jetzt schon wieder auf der Hebebühne haben. Ja, genau so muß das sein! Und was dabei herauskommt, ist mehr als nur ein gelungenes Beispiel für den Rock´&´Roll der zeitgenössischen Schule - nämlich ein Angriff auf das unbeschreiblich beliebig gewordene Genre, und vor allem einer, auf den wir schon sehr, sehr lange gewartet haben. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.