O.H. Krill und die dazugehörigen Papers haben, wie vielleicht vermutet werden könnte, nur indirekt mit illegalen Rauchwaren zu tun. Stattdessen erweckt der Name bei Eingeweihten Assoziationen zu UFOs - und neuerdings auch zu einem interessanten Musikprojekt.
Für die weltweite UFO-Believers-Community im Web ist oder vielmehr war O.H. Krill ein Alien unbekannter Herkunft, der von US-Autoritäten nach dem Absturz seiner Untertasse gefangengehalten und gezwungen wurde, all sein Wissen über UFO-Technologien und überhaupt zu verraten. Die "Krill Papers" lesen sich wie eine Zusammenfassung aller UFO-Verschwörungstheorien der letzten 50 Jahre, präsentiert als zweifelsfreie Fakten. Von enthusiastischeren Ufologen als die wahrste Wahrheit gehuldigt, äußert sich die skeptischere Fraktion der Tassengläubigen maximal mit einem Schulterzucken und erklärt die Angelegenheit zu einem Auswuchs der vernetzten Info-Gesellschaft.
Max Brennan, Bassist von Isle of Wight und UFO-Enthusiast, hat nun nach seinem 98er HiTech-Funk-Album "Alien To Whom?" (Sublime Recordings) und Arbeiten unter seinen Pseudonymen Fretless AZM und Universal Being gemeinsam mit Bandkollegen von IOW und Gästen obigem Netzmythos den Namen für sein neues Projekt entlehnt. Von Eso-, New Age- oder Psychodelic-Schmonz ist "The Krill Papers" jedoch meilenweit entfernt. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich vielmehr einer der wenigen gelungen Versuche, dem muffigen Fusion-Revival einige positive Seiten abzuringen - was auch der skeptische Boß von Depth Charge Recordings zu würdigen wußte, als er die CD veröffentlichte. Nach dem ausgezeichneten Debütalbum von Tom Tyler ("Asleep at the Switch") scheint DC also nun (nach Pioniertaten auf dem Big-Beat-Sektor Ende der 80er) fest entschlossen, ins Jazzlager überzulaufen, was der teilweise von üblen Scharlatanen besiedelten NuJazz-Zone sicher nicht schlecht zu Gesicht steht.
Zu Anfang von "The Krill Papers" hatscht betrunken ein Beat in die Stube, im Schlepptau ein melancholisches Vibraphon und eine schwer depressive Trompete. Das nachzuckelnde Schlagwerk versucht erst gar nicht, die anderen Beteiligten aufzumuntern, sondern gibt seufzend seinen Senf dazu. Doch langsam wühlt sich eine beinahe völlig unkenntlich gemachte Gitarre im Verein mit flirrenden Keyboard-Spuren durch die schwappende Düsternis, die Trompete jauchzt hoch auf und erklärt somit den Titel des ersten Tracks: "Reaching Up".
Bleibt die melancholische Weltsicht im ersten Drittel der Platte noch voll erhalten, setzt ab "Riding High" und "Yesterday´s Hero" mit angekurbelten Tempi, Wah-Wah-Gitarren und dynamischer Schlagzeugarbeit die Hangover-Stimmung aus und geht durch den Einsatz von Latin-Versatzstücken, Sitars und Fender Rhodes in die analytische Phase über. Beschlossen wird diese mit "Temporal Bliss", dem kontemplativsten Stück des Albums, getragen von Tablas und Sprenkeln von Sitar und Rhodes.
Retro as F***, filigran arrangiert und mit gerade soviel Fusion-Elementen, um nicht den Hippie-Alarm auszulösen, kann O.H. Krill eindeutig der guten Seite der NuJazz-Macht zugerechnet werden. Mehr können Sie für Ihren Jazz nicht tun.
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