Mit gewohnt liebenswerter Tabulosigkeit packt Kevin "Silent Bob" Smiths vierter Kinofilm diverse Bibel-Subplots in ein witziges White-Trash-Roadmovie.
Engel waren schon immer eingebildete Schnösel. Luzifer mag das Paradebeispiel dafür sein, aber es gibt auch andere, die Gottes Gunst verwirkt haben. Zum Beispiel der Todesengel Loki (Matt Damon), Vernichter von Sodom und Gomorrha, und sein Sprachrohr Bartleby (Ben Affleck). Seit Tausenden Jahren sitzen die beiden nun schon ohne Chance auf Rückkehr in den heimatlichen Himmel in Wisconsin fest und langweilen sich zu Tode. Die Welt um sie herum hat sich allerdings mit den Jahren stark verändert. Jesus und seine Mannen können sich längst nicht mehr der bedingungslosen Gefolgschaft früherer Tage erfreuen. Ein Bischof in New Jersey versucht sogar, mit einer recht abwegigen Marketing-Kampagne den Katholizismus wieder attraktiv zu machen. Sein "Kumpel Jesus" leidet nicht am Kreuz, sondern hebt den Daumen und zwinkert seinen Gläubigen freundlich zu; wer die Kathedrale des Bischofs betritt, erhält überdies eine Instant-Reinwaschung von allen Sünden. Daß sich damit für Loki und Bartleby ein Rückweg in den Himmel auftut - sie bräuchten nur durch die Kirchentür zu schreiten und wären von der Verbannung befreit - war natürlich nicht geplant. Und daß, sollte dieser Fall tatsächlich eintreten, die gesamte Schöpfung ausgelöscht würde (weil Gott sich dann ja als fehlbar erwiesen hätte), ist den beiden verbannten Engeln herzlich egal. Kurzentschlossen machen sie sich auf den Weg nach New Jersey.
Gott sieht natürlich alles und schickt sogleich seinen Verkünder Megatron (Alan Rickman) zur letzten überlebenden Verwandten aus der Blutlinie seines Sohnes - Maria und Josef hatten nämlich nach der Geburt des Heilands doch noch Sex, was ein paar Brüder und Schwestern für Jesus ergab. Diese Nachfahrin heißt Bethany (Linda Fiorentino), arbeitet in einer Abtreibungsklinik und hat mit dem katholischen Glauben nicht mehr viel am Hut. Deshalb ist sie auch mächtig skeptisch, als ihr Megatron den Auftrag erteilt, Loki und Bartleby aufzuhalten. Aber die Weichen sind bereits gestellt - und so stolpert Bethany zuerst in die Hände der von Megatron angekündigten beiden Propheten, die sie vor den Schergen des boshaften Dämons Azrael (Jason Lee) retten und sich als Jay (wie immer: Jason Mewes) und Silent Bob (wie immer: Regisseur Kevin Smith) vorstellen. Das impertinente Beharren auf Sex als Zahlungsmittel für erbrachte Dienste kennen wir bei Jay und Silent Bob schon aus Kevin Smiths bisherigen Filmen (die "New-Jersey-Trilogie" mit "Clerks", "Mallrats" und "Chasing Amy"). Diesmal werden die beiden respektlosen Schandmäuler auch noch zu Propheten gemacht.
Unterwegs nach Jersey, fällt dem Gespann Bethany/Jay/Silent Bob noch der 13. (und einzige schwarze) Apostel Rufus (Chris Rock) vor die Füße, und in einer Table-Dance-Bar ersteigert Silent Bob schließlich die Muse Serendipity (Salma Hayek), die sich auch gleich im Kampf gegen den abrupt aus den Tiefen der Senkgrube aufsteigenden Scheiße-Dämon Golgothon beteiligt. Schließlich, vor den Toren der Kathedrale in Jersey, kommt es zu einer Auseinandersetzung biblischen Ausmaßes...
Wieder ist die New Yorker Vorstadt-Provinz New Jersey (die Heimat von Regisseur Kevin Smith) der Ort der Handlung, womit sich Smiths (lose) Trilogie wohl um einen vierten Teil erweitert. Smith ist offenbar bibelfest, kennt jene versteckten Winkel in Gottes Wort, wo sich Späße ansetzen lassen, und ist auch weit davon entfernt, ernsthafte Blasphemien zu begehen. Seine Vorstellung von Gott ist die eines hübschen, aber billig geschminkten und schlecht gekleideten Jersey-Girls, und in Alanis Morissette hat er dessen perfekte Inkarnation gefunden. Auch in "Dogma" tritt Smiths positiv-fröhliches Weltbild zutage, dick untermauert von der üblichen amüsanten Glorifizierung des Proletentums und immer wieder durchsetzt von liebenswert menschlicher Emotionalität.
"Dogma" bietet über zwei Stunden leichter Unterhaltung mit gut recherchiertem biblischen Hintergrund. Eine beachtliche Ansammlung namhafter Mimen und ein paar ganz nette Spezialeffekte, vor allem aber das Entstehen wirklich großer Gefühle, denen man nichts Manipulatives nachsagen kann, machen den Film sehenswert. Kevin Smith versteht es einfach zu gut, abgelutschten und verhaßten Dingen positive Seiten abzugewinnen, als daß man seinen Filmen widerstehen könnte.
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