Im Psychothriller "Das Experiment" führt der in Wien lebende Regisseur Oliver Hirschbiegel den Beweis, daß in jedem von uns ein Unmensch steckt. Umso mehr, als der Film auf tatsächlichen Begebenheiten beruht.
Tarek Fahd (Moritz Bleibtreu) war einmal Journalist, aber das scheint irgendwie nicht geklappt zu haben. Jedenfalls fährt er nun Taxi. Da ergeben sich für ihn gleich mehrere schicksalshafte Wendungen auf einmal: Zuerst entdeckt er eine Zeitungsannounce, die Freiwillige dazu auffordert, an einem wissenschaftlichen Experiment teilzunehmen; 4000 Mark für zwei Wochen werden angeboten. Etwas später wird er unschuldig in einen Unfall verwickelt; die hübsche, aber schwermütige Lenkerin Dora (Maren Eggert) läßt sich von ihm mitnehmen und schließlich in seiner Wohnung ordentlich trösten. Tags darauf findet er sich beim Casting für das Experiment ein - und erfährt, worum es geht: Anhand einer simulierten Gefängnissituation soll das Aggressionspotential der Versuchspersonen getestet werden.
Tarek gelingt es, die Story des geheimnisvollen Experiments an einen Verleger zu verkaufen. Ausgerüstet mit einer Brille, in die eine Videokamera eingebaut ist, begibt er sich in die Obhut des Wissenschaftlerteams. Die 20 Männer werden willkürlich in acht Wärter und zwölf Gefangene unterteilt. Tarek zählt zu den Gefangenen. Ausgerüstet mit Uniformen, Schlagstöcken und Handschellen bringen die Wärter die Gefangenen in ihre Zellen. Das Experiment hat begonnen.
Anfangs ist alles noch ziemlich locker. Aber weil Tarek die Wärter absichtlich provoziert, ja sogar eine Art Gefangenenaufstand inszeniert, greifen diese zu drastischen Mitteln: In der Nacht marschieren sie mit Feuerlöschern in die Zellen, nehmen den Häftlingen die Betten weg und lassen sie auf dem Boden schlafen. Und das ist nur der Anfang einer gewalttätigen Eskalation aus Demütigung, Mißhandlung und Folter, mit der keiner der Beteiligten gerechnet hätte...
Nach dem Rechercheroman "Black Box" von Mario Giordano inszeniert TV-Regisseur Oliver Hirschbiegel sein Kinodebüt. Hirschbiegel lebt in Wien und ist vor allem als "Kommisar Rex"-Regisseur bekannt; daß er auch anders kann, bewies er bislang mit den mehrfach ausgezeichneten und für den US-Fernseh-Oscar "Emmy" nominierten TV-Filmen "Trickser" und "Das Urteil".
Die Story von "Das Experiment" beruht auf einer wahren Begebenheit, die als Stanford Prison Experiment in die Geschichte der universitären Psychologie eingegangen ist. 1971 simulierten amerikanische Wissenschaftler eine derartige Gefängnissituation in einem Universitätskeller; das Experiment war auf 14 Tage angelegt, wurde aber nach sieben Tagen abgebrochen, weil mit der zunehmenden Bereitschaft der Wärter zu Gewalt, Demütigung und Folter sowie mit den aphatischen Zuständen und psychischen Störungen der Gefangenen nicht mehr zu spaßen war.
Der Film versetzt den Zuschauer - obwohl von Anfang an klar ist, wohin dieses Experiment führen wird - in Spannungszustände, die möglicherweise noch kein deutscher Film bisher zustande gebracht hat. Der blanke Realismus dieses kalten Films ist erschütternd, die psychische Verstörung dringt aus jedem Kader - was nicht zuletzt auch den durchwegs hervorragenden Darstellern zuzuschreiben ist. Moritz Bleibtreu, einer der wenigen verdienterweise bekannten deutschen Schauspieler, ist mittlerweile übrigens auf Hollywood-Niveau: Sein jüngster Film "Taking Sides" (Regie: Istvan Szabo; mit Harvey Keitel und Stellan Skarsgaard) läuft noch heuer an.
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