Halb "Diablo" und halb "Warcraft" = ein ganzer Superhit, den Millionen von Käufern besitzen wollen. So oder ähnlich muß die Planungsphase von "Kingdom Under Fire" wohl ausgesehen haben. Dummerweise hat man dabei übersehen, daß auch beim schönsten Nacheifern eigene Kreativität gefordert ist.
1995 brachte Blizzard mit "Warcraft 2" wohl das genialste Game aller Zeiten auf den Markt. Den unglaublichen Spaß, den es machte, seine menschlichen Schützlinge per Mausklick in die Schlacht gegen fiese, oberbrutale Orks zu schicken, konnte bis heute eigentlich kein Spiel mehr so richtig wiederholen. Eine paar Jährchen später waren es wieder die Jungs von Blizzard, die mit "Diablo" und "Diablo II" dem Genre der Hack´n´Slash-Rollenspiele - die zwar nicht unbedingt mit einer herausragenden Story überzeugen konnten, aber dafür Action en masse boten - zu ungeheurer Popularität verholfen haben.
Angesichts dieser Vorgaben verließ sich Phantagram auf ein altbewährtes Motto, mit dem schon ganz andere Hersteller böse ins Klo gegriffen haben. Anstatt ein bißchen eigene Kreativität und eigene Ideen einzubringen, entschloß man sich kurzerhand, die besten Elemente von "Warcraft 2" und "Diablo" zu einem neuen Spiel zu verbinden. Voila! Fertig ist "Kingdom Under Fire". Das Machwerk ist mit einer Fifty-fifty-Mischung aus Coca-Cola und Bailey´s Irish Cream zu vergleichen. Einzeln ist jede Zutat ein Genuß, doch zusammen ergeben sie eine Mischung, die hart an der Grenze zur Übelkeit vorbeischrammt.
Bei "Kingdom Under Fire" übernimmt man die Rolle eines jungen Ritters mit dem hübschen Namen Curian, der während einer Art politischer Katastrophe einen Weg finden muß, einige Rassen zu vereinen, um eine Invasion abzuwehren. Im Laufe seiner Abenteuer trifft er auf weitere mutige Leutchen, die ihn bei dieser ehrenvollen Aufgabe unterstützen sollen. Allein die Namen der Figuren, Orte und Artefakte sind immer wieder ein Grund zur Belustigung: So muß zum Beispiel ein gewisser "Xok Knight" gegen "Rick Blood" kämpfen, sonst holt sich der das "Ancient Heart" beim "Throne of Destruction". Ähnlich originell sind die Hintergrund-Stories der einzelnen Helden. Curian ist etwa ein Waisenjunge, der von seinen Eltern im Wald ausgesetzt (warum landen Helden eigentlich nie im Schweinestall oder neben der Jauchengrube?) und dann von Priestern aufgezogen wurde. Aber mit 16 packte ihn die Abenteuerlust ... blablabla ... Söldner geworden ... blablabla ... Krieg ausgebrochen ... Heimatland von Orks verwüstet ... blablabla ... wird nicht ruhen, bis die Toten gerächt sind ... blablabla ... GÄHN!
Jedenfalls geht´s im Single-Player-Modus darum, im Lauf von 13 Missionen die drohende Ork-Invasion abzuwehren. Dazu stehen der "Real Time Strategy Modus" oder der "RPG Modus" zur Verfügung. In ersterem schickt man Truppen in die Schlacht, erschließt neue Gebiete und kümmert sich um sonstige Dinge, die man als Feldherr so zu erledigen hat. Für einzelne Szenarios, wie zum Beispiel verlassene Dungeons und ähnlich einladende Gegenden, steht der Rollenspielmodus zur Verfügung, in dem man sich in "Diablo"-Manier durch die einzelnen Levels bewegt, um verschiedene Sachen (darunter auch die bekannten roten und blauen Fläschchen) einzusammeln und allerlei Monster auf die Mütze zu hauen.
Die Graphik ist dabei gutes Mittelmaß, also nichts, was man in anderen Games nicht schon Hunderte Male - und dabei sicher Dutzende Male besser - gesehen hat. Ein wirklicher Tiefpunkt sind allerdings die unterdurchschnittlichen Zwischensequenzen, die ziemlich lieblos dahingepfuscht sind. Außerdem weigert sich die auf dem Rechner des Rezensenten installierte Version beharrlich, eine Auflösung von mehr als 800x600 zu verwenden. Fairerweise muß gesagt werden, daß bereits einige Patches für das Game angekündigt sind, doch ob bei einem von ihnen eine höhere Graphikleistung unterstützt wird, steht noch nicht fest. Abgerundet wird die Optik des Spiels durch ein paar spektakuläre Special-Effects wie Explosionen oder Spells, die sicherlich den graphischen Höhepunktes des Spiels liefern. Der Sound liegt hingegen über dem Durchschnitt der auf dem Markt existierenden Games. Mit einer guten Soundkarte, die heute eigentlich in jedem Spielerechner Pflicht sein sollte, donnert recht kerniger Kampflärm aus den Boxen.
Wirklich schlimm wirkt sich jedoch das Fehlen einer Speichermöglichkeit während den einzelnen Missionen aus. Immerhin dauern manche Einsätze weit über drei Stunden - und sollte dabei der Hauptheld sein Leben aushauchen, muß man ganz von vorne beginnen. Vor allem für Windows-ME-Geplagte kann das leicht frustrierend werden, da natürlich auch bei einem Systemabsturz die ganze Mühe umsonst war. Andererseits läuft das Game unter "Windows 2000" fehlerfrei.
Alles in allem ist "Kingdom Under Fire" nur den wirklich ausgehungerten Fantasy-Strategen ans Herz zu legen, und auch die sollten sich vorher unbedingt ein Demo ansehen. Rollenspieler sind mit "Baldur´s Gate 2" wesentlich besser bedient; die Liebhaber von Fantasy-Action wiederum sollten zu "Diablo 2" greifen. Und außerdem entwickeln die Jungs bei Blizzard gerade mit Hochdruck "Warcraft III".