In "Gelbe Kirschen" verliebt sich ein Junge vom Lande, der als Kieberer-Azubi in Wien illegale Ausländer abschieben soll, in eine potentielle Amtshandlung.
Junggendarm Rudi (Martin Puntigam) wird von seinem Schwager Otto (Josef Hader) aus der tiefsten Provinz nach Wien geholt. Der Junge soll bei der Fremdenpolizei Karriere machen. Ausländer willkürlich überprüfen, bei nicht vorhandenem Identitätsnachweis ins Revier schleppen und schließlich gegebenenfalls abschieben - das ist sicher kein schöner Job und will erst einmal gelernt sein. Anfangs noch gequält von Mitleid für die Betroffenen, verliert Rudi langsam seine Scheu und erarbeitet sich im Dezernat verhältnismäßig schnell Respekt.
Eines Abends lernt er an einem entlegenen Würstelstand die Tschechin Alena (Sandra Bra) kennen - und verliebt sich sogleich. Mit etwas Penetranz gelingt es ihm, sie auszuführen, und bald fühlt auch sie sich zu ihm hingezogen. Allerdings ist Alena illegal in Österreich. Und das kann nur Schwierigkeiten bedeuten. Die stellen sich auch recht bald ein, als Schwager Otto Alena kennenlernt und umgehend Verdacht schöpft - nicht zuletzt deshalb, weil Rudi seinen Job immer mehr zu vernachlässigen droht. Als Otto schließlich Alena verhaften läßt und dabei auch noch herauskommt, daß der kleine Junge, um den sie sich angeblich nur kümmert, ihr eigenes Kind ist, muß Rudi sich entscheiden. Entgegen jegliche Regeln und Gesetze nutzt er seinen Zugang zu den Einrichtungen der Fremdenpolizei, um ihr - und sich - zu helfen...
Leopold Lummerstorfers "Gelbe Kirschen", sein zweiter Film nach mehreren Kurzfilmen, die seinem Spielfilmdebüt "Rosa Heimat" von 1990 folgten, erzählt eine sehr simple Geschichte, in der einige Details sehr gut gelungen sind. Die Männer der Fremdenpolizei, dargestellt als Rohlinge wider Willen, befinden sich merkbar im Zwiespalt zwischen Menschlichkeit und Pflichterfüllung und sind dabei ungewöhnlich realistisch dargestellt. Und der pflichtverliebte Otto, der in Wirklichkeit wegschaut, wenn sein Chef sich von einem Illegalen Uhren reparieren läßt, ist ein unaufdringliches Beispiel für die immanente Doppelmoral in diesem Metier. Rudi selbst, in jeglicher Hinsicht ein unendlich naives Landei, läßt mit seiner Einfältigkeit den Zuseher zwischen belächelndem Mitleid und Sympathie schwanken, und die Darstellung seiner aufkeimenden Liebe zu Alena ist durchaus aus dem Leben gegriffen. Natürlich würde ein derartiger Naivling im wirklichen Leben binnen Wochen von den hiesigen Wölfinnen emotional in Fetzen gerissen werden - das wird aber durch Rudis Kollegin Carmen höchstens angedeutet.
Josef Hader, mittlerweile fast schon ein Routinier des österreichischen Films, fühlte sich im Kreise des jungen Nachwuchs-Filmteams sichtlich als alter Hase, und dementsprechend überzeugend und professionell ist seine schauspielerische Leistung. Auch Sandra Bra meistert ihre Rolle bravourös, obwohl ihre Figur eine Ausgeburt an Eindimensionalität ist. Das mäßig begabte Schauspiel des Kabarettisten Martin Puntigam geht ebenfalls durch, was nicht allzu schwer ist bei einer derart naiven Rolle.
Die Dialoge sind allerdings recht flach und wenig wahrhaftig. Überdies stellt Lummerstorfer Wien als kalten, grauen Stahlbeton-Moloch dar - ein definitiv falsches Bild dieser Stadt, das eher zu einer Berliner Satellitensiedlung in den 80er Jahren passen würde. Der trist-minimale Soundtrack des Mego-Pioniers Christian Fennesz macht da nichts besser. Manche Szenen entbehren außerdem einfach jeglicher Realitätsnähe (z. B. steht Alenas Würstelstand direkt unter einer U-Bahn-Trasse, wo die Laufkundschaft gleich Null wäre).
Auffallend schlecht ist die Kameraarbeit. Die Linse klebt fast immer zu nah an den Schauspielern; man sieht kaum etwas von den Locations, die Bildfindung wirkt hingehudelt, oberflächlich, unüberlegt, lückenhaft. Auch bei den Setdesigns fehlt es an reiflicher Überlegung: Allein die Einrichtung von Ottos Wohnung macht klar, daß hier Ahnungslose am Werk waren. Und in den Räumen der Fremdenpolizei herrscht Orwellsche Leere, was bei dem im Wiener Amtsmilieu sprichwörtlichen Papierkram absurd ist.
Wenn man Lummerstorfer nicht den Sympathie-Bonus für heimische Nachwuchsfilmer einräumen würde, müßte man seinen Film unterm Strich als schlecht bezeichnen. Belangslos ist er in jedem Fall - man fühlt, sieht und lernt nichts, was man nicht schon wissen oder kennen würde. Und über die ausschließliche Finanzierung des Films mit öffentlichen Mitteln wollen wir uns hier nicht schon wieder auslassen.