Die Nackten und die Toten

Wer kennt ihn nicht, den unumstrittenen Großmeister des miesen Films? Dabei gab es viel Schlechtere als ihn. Trotzdem oder gerade deshalb muß "Necromania" aus heutiger Sicht als Edward D. Wood Jrs. phantasielosester Film gelten - das 71er-Sex-Schundwerk "brilliert" mit schlechten Farben, improvisierter Ausstattung und wenig standfesten Protagonisten.

Ed Wood - man hat´s gelesen, gehört oder auch selbst gesehen - ist nicht gerade ein Regisseur, der für aufwendige Produktionen bekannt ist. Sind seine frühen Filme wie beispielsweise "Plan 9 from Outer Space" (1959) oder "Bride of the Monster" (1955) mittlerweile zu unumstrittenen Klassikern des Billig-Genres aufgestiegen, so klammern findige Grabräuber die späte Phase des Künstlers aus ihren Videoeditionen aus. Dies zumeist aus zweierlei Gründen: Erstens sind die Rechte - schon allein, weil die Besitzfrage nicht gänzlich geklärt ist - nur über Umwege und dann auch nur unglaublich schwer zu erwerben, und zweitens bedient Ed Woods Spätphase keineswegs die beliebten Sujets und Klischees, die Zyniker an der Frühphase des Trashmeisters als sehenswert erachten - es lacht sich halt doch am besten über die Fehlversuche der anderen.

Ausgerechnet jene Movies, die Ed Wood perfekt in das Eck drängen, in dem er so gern gesehen wird (also dort, wo die Mülltonnen der Filmgeschichte stehen) - locken den vermeintlichen Trash-Gourmet recht selten hinter seinem wohlig warmen Ofen der Selbstgefälligkeit hervor. Die gerngesehene unfreiwillige Komik Woods früherer Werke mag sich in der Spätphase einfach nicht offenbaren: Keine fliegenden Untertassen aus der Spielwarenhandlung bombardieren die Erde; keine Polizisten laufen ungeschickt gegen Grabsteine aus Pappmache; kein offensichtlich mit Drogen vollgepumpter Bela Lugosi geistert in der Rolle des irren Wissenschafters über die Leinwand; und auch Woods Fetisch - der berühmte Angorapulli - taucht nicht auf. Zu sehen sind vielmehr im obligatorischen "one shoot put in"-Verfahren aufgenommene "Freudentänze" nackter Wesen beiderlei Geschlechts, die sich´s nach allen schwedischen Regeln besorgen, und das auch nicht immer mit dem gewünschten Effekt...

Genaugenommen bleibt angesichts allzu pickeliger, nackter Tatsachen für Sarkasmus wenig Platz, und Mitleid ist ja bekanntlich nicht unbedingt Sache des höhnenden Kinovolks. Wer mag nicht lieber Tor Johnson als monströsen Lobo tölpeln sehen, statt angesichts der cinematographischen Bankrotterklärung eines Menschen, der Zeit seines Lebens vergeblich versuchte, seinen Traum zu verwirklichen, gramgebeugten Hauptes über die Ungerechtigkeit der Welt nachzudenken. Und Ed Woods Träume hatten sich Anfang der 70er schon längst verflüchtigt - wie kalter Zigarettenqualm nach einer Gruppensexparty.

Apropos: Ein von den üblichen sexuellen Problemen geplagtes junges Paar mietet sich für eine Nacht in einem Hotel der billigen Kategorie ein. Und das aus gutem Grund: Das kryptische Haus wird von einer nicht minder kryptischen Frau - die neben Gästezimmern auch sonst noch einiges zu bieten hat - geführt. Frau Wirtin verfügt nämlich über ein ausgesprochen effizientes Elixier. Der Zaubersaft soll unlustige Ehemänner auf neue Ideen bringen und ergo in den Ehegemächern für frischen Wind nach langer Flaute sorgen. Wenn´s wahr ist, wird Schlag Mitternacht der zauberhafte Wandel vom Ochsen zum Hengst im roten Salon des Hauses vonstatten gehen; doch irgendwie verläuft die Handlung schon knapp nach der Exposition auf Schienen, die in eine gänzlich andere Richtung verlegt sind. Plötzlich mischt sich das gar nicht mehr so unlustige Pärchen zur Freude des Rezipienten unter die seltsamen Hotelgäste, und zwar in (fast) allen erdenklichen Kombinationen. Das Problem dabei ist nur, daß die "besten Stücke" nicht im mindesten dem Trieb ihrer Herren zu folgen imstande sind, und so gerät der Streifen schon nach den ersten - im wahrsten Sinne des Wortes weichen - Core-Szenen zum verzweifelten Dauerversuch der Darstellerinnen, endlich "harte" Fakten aufs Bett zu bringen.

Der für die wenig seriöse Produktionsfirma Pendulum für knapp 7000 Dollar produzierte Streifen war für Kinos gedacht, die man auch heutzutage nicht gern ohne hochgeschlagenen Mantelkragen betritt. "Necromania" ist Woods definitiv letzter Streifen, bevor er sich daranmachte, den endgültigen künstlerischen Suizid durch übermäßigen Konsum von billigem Schnaps sowie mit der Produktion von 8mm-Hardcore-Schleifen stilvoll in Szene zu setzen. Aber wenn schon "Necromania" Woods endgültigen Abstieg ins Nirvana der erfolglosen Regisseure einleitete, so kommt wenigstens noch ein letztes Mal Mr. Criswells berühmter Sarg (siehe auch "Night of the Ghouls"; 1958) zum Einsatz - Grund genug, sich das Werk spätabends zu "geben" und analog zur spärlichen Story über Sinn und Unsinn des Lebens oder auch der Filmemacherei nachzudenken. Am besten mit einer Flasche Inländer-Rum...

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Herzlichst,
Ihr

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