Rock´n´Roll Contemporary School, pt. six - The Moffatts

Werte Leserinnen und Leser! Lassen Sie sich bitte folgendes gesagt sein: Der Ingenör hat´s schwör; so heißt es schon in einem alten Sprichwort. Aber seien Sie sich dessen gewiß: Nicht bloß dieser - auch dem Rezensenten bleibt oftmals gar nichts erspart.

"Rock´n´Roll Contemporary School" heißt diese Rubrik bekanntlich - doch was das Cover der Moffatts-CD reflektiert und an die Sehorgane des Betrachters weiterleitet, hat mit eben jenem vielgeliebten Musikstil ungefähr soviel gemein wie ein letztklassiger Dorffußballklub mit dem genialen Louis Figo. Jedoch verlangt es der Job, alle Vorurteile abzustreifen, die Compact Disc zu laden und zu lauschen, wie die ach so wohltuende nächtliche Stille von akustischen Wellen, die sich den direkten Weg an die Ohren suchen, durchdrungen wird. Was weiß man denn - so mancher "schiache" Frosch hat sich bei genauerer Betrachtung als verwunschener Märchenprinz entpuppt.

Zuerst die Hintergrundinformationen: Bei The Moffatts handelt es sich um ein reines Familienunternehmen. Die Drillinge Clint, Dave, Bob und ihr ein Jahr älterer Bruder Scott nahmen bereits 1992 im zarten Alter von acht bzw. neun Jahren ihr Debütalbum "It´s A Wonderful World" im Country-Stil auf. Nachdem sich die vier Kanadier mit diesem Album und dem Nachfolger "The Moffatts" (1995) in der Nashville-Szene einen Namen gemacht hatten, kehrten sie, den Kinderschuhen entwachsen und in Teenager-Outfits geschlüpft, schon bald darauf dieser Musikrichtung den Rücken, um sich fortan mehr dem Pop zu widmen. Mit der Platte "Chapter 1 - A New Beginning" gelang auf Anhieb eine weltweite Karriere.

Nun aber zum neuen Tonträger "Submodalities": Wie schon oben beschrieben, fiel es den Moffatt-Brüdern noch nie allzu schwer, den Stil ihrer kreativen musikalischen Ergüsse zu wechseln; was ob ihrer Jugend absolut zulässig ist. So ist es nicht weiters verwunderlich, daß man sich auch mit dem neuen Werk einer weiteren Entwicklung hingab. Wenn man den kursierenden Gerüchten Glauben schenken darf, war es der Band oberstes Ziel, mit diesem Album den Sprung in die Richtung einer straighten Rockband zu schaffen, um als ernsthafte, gereifte Musiker wahrgenommen zu werden und das Schnulzen-Image endgültig abzustreifen. Das Problem dabei: Das Ziel wurde lediglich angepeilt, die Richtung zwar eingeschlagen, aber den entscheidenden Schritt wagte man dann doch nicht zu tun.

U2 und Radiohead als Inspirationsquelle zu nennen, ist ja gerade noch okay. Jedoch der Vergleich (ebenfalls der Bio entnommen) mit Nirvana und den größten ever, The Beatles, kommt einer Grabschändung gefährlich nahe. Die Songs der "visuellen Image-Veränderung" - so die ungefähre Übersetzung des Albumtitels - sind eigentlich nicht allzu schwer zu beschreiben. Daß die Buben musikalisches Talent haben, ist unbestritten. Wozu also, wird man sich wohl bei EMI gedacht haben, lange um teures Geld herumexperimentieren? Die Brüder beherrschen ihre Instrumente, die da - natürlich - sind: Schlagzeug, Baßgitarre, Elektro- und Akustikgitarre sowie Tastengerät - im Booklet wird auch eine legendäre Hammond B3 (listen to: Deep Purple) erwähnt, die aber akustisch offensichtlich von den penetranten Bombast-Keyboards erdrückt wurde.

Einer der weltweit bekanntesten Produzenten der Branche, Bob Rock (der Name ist Programm; nur leider heißt er nicht Rock´n´Roll) wurde mit der Band zusammen in ein Studio gesteckt und durfte sämtliche Eighties-AOR-Klischees bedienen. Voila! Aus dem Zauberhut werden 14 Kompositionen, größtenteils im Stil von Bon Jovi, Aerosmith & Co. gezogen. Vom typischen Midtempo-Rocker über die obligatorische Shuffle-Nummer bis hin zur (Girl-)herzzerreißenden Ballade ist alles vertreten, was bereits von oben genannten und Dutzenden anderen Bands auf Charts-Tauglichkeit untersucht und für erfolgversprechend befunden wurde. Der bewährte Sound wird durch äußerst melodiöse und ebenfalls professionelle Gesänge, die mit jenen der Backstreet Boys keinen Vergleich zu scheuen brauchen, auf den Gipfelpunkt getrieben.

Wer jetzt glaubt, daß der Verfasser dieser Zeilen auf einen am Boden Liegenden tritt, der irrt gewaltig. Pustekuchen! Die Moffatt-Brüder sind gutaussehende - ein Umstand, für den sie hier sicherlich nicht belangt werden sollen - und talentierte Musikanten, die sich aufgrund ihrer teen-ages und ihrer längst erreichten finanziellen Absicherung sicherlich noch den einen oder anderen Fehltritt erlauben können. Der Erfolg ist ja trotzdem garantiert. Früher oder später werden ganz sicher auch die musikalischen Ziele erreicht, auf die folgende Anspieltips bereits einen kleinen Vorgeschmack bieten: "I Don´t Want You to Want Me" und "Life on Mars" sind Rocker, die - vorausgesetzt, man schafft es, sich den Gesang wegzudenken - den Kompositionen von aktuellen Rock´n´Roll-Bands wie Bush nicht unähnlich sind. Dazu kommt noch (ein verstaubter Trick jagt den anderen) der erste der beiden hidden tracks. Dieser erinnert nämlich - ebenfalls ausschließlich in den Instrumentalpassagen - an den Neil-Young-Sound der letzten Jahre. Vorerst aber gilt es eben noch das eine oder andere Jahr in der Hanson-League zu bestehen.

Hören Sie wohl!

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