In der Verfilmung des Versromans "Eugen Onegin" von Alexander Puschkin zeigt die britische Künstlerfamilie Fiennes, daß Kino echte Hochkultur sein kann.
Eugen Onegin (Ralph Fiennes, gesehen in "Strange Days"), ein angesehenes Mitglied der Society von St. Petersburg im Rußland zur Zarenzeit, erreicht eines Tages die Kunde vom bevorstehenden Ableben seines Onkels. Er reist kurzentschlossen zu dessen entlegenem Landhaus, kommt aber zu spät. Der Alte ist bereits gestorben, und Onegin sieht sich mit seinem Erbe konfrontiert: das riesige Herrenhaus samt einer Schar von Leibeigenen, dazu die umliegenden Ländereien. Der von seinem Leben in St. Petersburg gelangweilte, zynische Städter beschließt, für unbestimmte Zeit auf dem Lande zu verweilen.
Es dauert nicht lange, da nehmen die Nachbarn Kontakt mit ihm auf - zuerst trifft er den jungen Vladimir (Toby Stevens), als dieser in Onegins Wäldern jagt und singt. Onegin lädt den vermeintlichen Wilderer zum Abendessen ein; man verträgt sich gut. Also führt Vladimir seinen neuen Freund bei der Familie seiner Verlobten ein. Die Larinas bestehen eigentlich nur aus der Mutter und zwei Töchtern; Olga (Lena Headey) ist Vladimirs Verlobte, und Tatyana (Liv Tyler) interessiert sich eigentlich nur für Bücher. Die hat sie sich früher immer bei Onegins Onkel ausgeliehen, und so kommt es zu näherem Kontakt zwischen den beiden.
Onegin ist hin- und hergerissen: Einerseits genießt er die Ruhe und Einfachheit des Landlebens abseits der Petersburger Dekadenz, andererseits betrachtet und behandelt er die einfältigen Nachbarn mit arroganter Herablassung. Das Leben, so glaubt er, bietet keine Überraschungen mehr für ihn; zwar hegt er hohe Ideen, will etwa die Leibeigenen befreien und Land an sie verpachten, aber trotz mancher Lichtblicke holt ihn die arrogante, sarkastische Schwermut stets wieder ein. Als sich Tatyana unsterblich in ihn verliebt, provoziert er Vladimir durch einen Tanz und darauffolgende abfällige Bemerkungen über Olga. Es kommt zu einem Duell. Und Onegin kehrt nach Petersburg zurück.
Jahre später trifft Onegin Tatyana in Petersburg wieder. Sie ist mittlerweile verheiratet - mit Onegins Cousin. Und nun ist es Onegin, der sich nach Tatyana zu verzehren beginnt; leider ohne Erfolgschancen, den sie ist bereits vergeben...
Ralph Fiennes’ Schwester Martha führt überaus gekonnt Regie in diesem historischen Epos, das sich jegliche Schwülstigkeit erspart und seine Stärke aus Detailtreue, feinsinniger Ausstattung, hervorragendem Schauspiel (auch Liv Tyler ist perfekt besetzt) und höchst überzeugendem Soundtrack (komponiert von Magnus Fiennes) bezieht. Schnitt und Kamera sind vorzügliches Handwerk. Die Story ist zwar einfach, aber aufgrund ihrer ungewöhnlichen (und großartig rekonstruierten) Handlungsorte packend, und gerade dadurch, daß die Emotionen nicht so übermanipulativ wie in gewöhnlichen Hollywood-Tränenpressen eingesetzt werden, gewinnt der Film Wahrhaftigkeit. Ein künstlerisch wertvolles Muß, nicht nur für Cineasten.
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