Sashimi, Tataki & Tapioka

Es gibt Bücher, die machen Appetit. "Ich will mehr leben. Mehr wissen. Mehr sehen", heißt es in "Amrita". Als Leser will man vor allem mehr essen nach der Lektüre des neuen Romans und des mittlerweile als wohlfeiles Taschenbuch erhältlichen "Dornröschenschlafs" - zweier Bücher, die voll sind von Sonnenaufgängen, Berührungen, Gefühlen und sinnlichen Genüssen...

Eigentlich erzählt Yoshimoto seit ihrem Überraschungserfolg "Kitchen" stets dieselbe Geschichte, nur die Motive sind anders gruppiert. Dagegen ist nichts einzuwenden; diesen Kniff wenden schließlich alle besessenen - soll heißen: lesenswerten - Autoren an. Die wesentlichen Themen: der Tod eines Angehörigen, der von den Zurückgebliebenen nur schwer verarbeitet wird, die Nacht (die Hauptfiguren sind immer Nachteulen), der Schlaf (ein Motiv, über das im "Dornröschenschlaf" virtuos improvisiert wird) und die Möglichkeit einer Verbindung der Welt der Lebenden und der Toten.

Es soll daher nicht erstaunen, wenn die Dahingeschiedenen regen Kontakt zur Verwandtschaft halten. Oder wenn der Bruder der Hauptfigur Saku, der ein wenig "spooky" ist, die Toten und zukünftige Ereignisse förmlich riechen kann. Das Ganze geschieht mit einer Selbstverständlichkeit, daß man meinen könnte, es gehöre zum guten Ton, eine Art sechsten Sinn zu besitzen. Auch das ist ein irgendwie liebenswerter japanischer Zug.

Vor allem aber sind "Amrita" und "Dornröschenschlaf" sinnliche Bücher. Wer jetzt meint, es würde in einer Tour gevögelt werden, den erwartet jedoch eine Enttäuschung. Yoshimoto beschreibt in erster Linie Sinneseindrücke, Gerüche, Geräusche. Saku, die seit einem Sturz, bei dem sie fast gestorben wäre, eine geisterhafte Existenz führt, klammert sich auf diese Weise ans Leben. Insbesondere die Geschmacksnerven werden ganz gehörig gereizt in "Amrita". Hier wird gefressen und gesoffen, was das Zeug hält. Freundlicherweise gibt die Übersetzerin in köstlichen Fußnoten kurz Aufschluß über die Zubereitung der erwähnten Gerichte.

Ansonsten scheint die Übersetzung leider etwas mißraten. Vor allem die häufig wiederkehrenden "Teutonismen" wirken störend. Die Figuren lieben das Leben "zum Schlapplachen", fühlen sich wie "Wonneproppen", "glotzen" ständig, finden die Luft "lecker" (?!) und singen "grottenschlecht". Aber wir Ösis sollten uns da vielleicht nicht so aufpudeln und den Chauvi raushängen lassen...

Gefinkelter in der Struktur und weniger vertratscht ist sicherlich das etwas ältere Werk "Dornröschenschlaf". Wer also noch gar nichts von Yoshimoto gelesen hat, dem sei eher dieses Buch empfohlen. Hernach möge man sich "Amrita" zu Gemüte führen. Und dann ab ins "Akakiko" oder ein anderes japanisches Lokal (und hinterher ist man enttäuscht, weil das Zeug nicht so schmeckt, wie man es sich bei der Lektüre vorgestellt hat)!

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Über die Autorin:
Banana Yoshimoto, die in Japan aufgrund ihrer Romane den Status eines Popstars genießt und vor allem unter Jugendlichen als Idol gilt, schreibt Bücher, die sich auch in Europa in großen Auflagen verkaufen. "Kitchen" wurde von Hongkong-Regisseur Yim-Ho erfolgreich verfilmt. Weitere Werke, die in Übersetzungen beim Diogenes-Verlag zu haben sind: "N. P.", eine Sammlung von 97 Kurzgeschichten, und "Tsugumi", die Geschichte einer Mädchenfreundschaft.