Gegen den Hollywood-Mainstream der letzten Jahre helfen nur veritabler Amoklauf und gute Filme. John Waters zielt mit seinem Spaß-Anarchismus in die richtige Richtung, trifft aber manchmal ein wenig daneben.
Die gut geölte Hollywood-Maschinerie ist der Feind. Aufgeblasene B-Pictures saugen den Leuten das Geld aus der Tasche und das letzte bißchen Phantasie aus dem Gehirn. Der Moloch ruiniert mit blutleerem Fließbandschund die letzten Kreativen des Independent-Kinos und verdrängt die Erinnerung an große Regisseure und ihre Werke. Seine schlimmste Waffe aber sind die "romantische Komödien" - Kassenschlager, die die Welt verblöden.
Ein ähnlicher Fall ist die Schauspielerin Honey Whitlock (Melanie Griffith) - ein millionenschwerer, lieb lächelnder Top-Star, privat aber eine affektierte Zicke. Das macht sie zur idealen Zielscheibe für die Filmterroristen "Sprocket Holes" (benannt nach den Perforationslöchern in den Filmstreifen) und ihren leicht wahnsinnigen Anführer Cecil B. Demented (Stephen Dorff), einen Kinobetreiber, und seine Freundin, das Ex-Porno-Starlet Cherish (Alicia Witt). Immerhin soll in Baltimore "Forrest Gump 2: Gump Again" gedreht werden, und die Stadt ist durch Multiplexe und "Movies for the Mall" cineastisch gänzlich verdorben. Das schreit nach Rache. Cecil ist davon besessen, den "ultimativ realistischen" Film zu drehen - mit Honey in der Hauptrolle. So wird die Diva bei einem Empfang gekidnappt und im Hauptquartier zuerst schmerzhaften Schönheitsprodezuren unterzogen, um dann mit den revolutionären Plänen ihrer Entführer bekanntgemacht zu werden. Diese "Terroristen" sind wüst gestylt, leben den "Zölibat für Zelluloid" und tragen Tattoos mit den Namen teils vergessener Kult-Regisseure: Preminger, Anger, H. G. Lewis, Peckinpah, Lynch oder Castle.
Im Guerillakampf stürmt man Kinocenter, in denen gerade "Patch Adams - The Director´s Cut" oder "Vertigo - The Remake" laufen, Film-Meetings und die Dreharbeiten zur schrecklichsten Fortsetzung aller Zeiten. Immer dabei: die Kamera, in die Honey pistolenschwingend Parolen schreien muß. Der entführte Star findet alsbald Gefallen an dieser Rolle, immerhin gibt es auch Sympathisanten - etwa unter Porno- und Action-Fans. Der bewaffnete Kampf fordert natürlich seine Opfer und eskaliert schließlich - wie könnte es anders sein? - im Autokino.
John Waters, der ungekrönte Trash-Papst, verspottet nicht nur Hollywood, sondern auch das Independent-Kino und seinen eigenen Status darin. Autobiographische Details sind offensichtlich: Sein Frühwerk entstand ebenfalls in der sogenannten "Hit and run"-Technik mit nur jeweils einem Take pro Szene und enthusiastischen Amateuren. Seine Beschäftigung mit allen möglichen Kulten und dem Abseitigen, seine Liebe zum Trash und schrillem überdrehtem Nonsens - all das findet sich hier in einem kunterbunten Durcheinander wieder, und Honey Whitlock ist eine Parodie auf Patty Hearst, die in "Cecil B." ein Cameo als Mutter eines der Terroristen hat.
Die Kritik ist mit Waters jüngstem Film hart ins Gericht gegangen. Die Vorwürfe, daß der Film zwar Klischees verreißt, aber auch nur Klischees und schablonenhafte Charaktere präsentiert, sind zum Teil berechigt, aber von diesem Regisseur eine profund durchdachte Analyse zu erwarten, ist halt auch verwegen. Längst hat Waters seine provokante Schockphase hinter sich gelassen; seine späteren Komödien sind erstklassige, ungemein witzige Beobachtungen verschiedenster Milieus. "Cecil B. Demented" kommt leider nicht so ganz an die Geniestreiche "Serial Mom" und "Pecker" heran und verharrt - weder richtig geschmackloser "Bad Taste" noch lupenreines Pointenfeuerwerk - in der Mitte zwischen beiden Phasen, wo er auf ein etwas pointenloses Ende zusteuert.
Am meisten beeindruckt John Waters´ ungebrochene Huldigung an das Kino, die Jugendkultur abseits des Mainstreams und den Glauben an "Sex, Drugs and Rock´n´Roll" als das einzig Wahre. Das mag einigen altmodisch und geistlos vorkommen, hat jedoch in seiner Konsequenz etwas Liebenswertes. Waters ist ein Dandy, der sich weigert, ganz erwachsen zu werden - so wie dieser Film. Der scheidet die Geister, aber das tun Heavy Metal und Gangsta-Rap schließlich auch.