Zugegeben: Verglichen mit der Neuinterpretation des klassischen Wells-Plots muß James Whales Originalverfilmung von 1933 naturgemäß etwas verstaubt wirken - auf den ersten Blick zumindest. Doch in Relation betrachtet, ist Whales "Unsichtbarer" um einiges innovativer ausgefallen als Verhoevens digital aufgeblasener Abklatsch der grandiosen Zelluloid-Legende...
Damit es jetzt keiner falsch versteht: Es darf nicht Funktion des Films sein, bei jeder erdenklichen Gelegenheit technische Innovationen aus dem Hut zu zaubern. Wer sich allerdings an Stoffe wagt, die seinerzeit die (filmtechnische) Entwicklung einer fürs soziale Gefüge so ungemein wichtigen Institution namens Kino vorangetrieben haben, sollte freilich ein wenig mehr zu bieten haben als das bloße Runderneuern zweier maßgeblicher Ingredienzen: den Plot und die Umsetzung. Denn stibitzt Verhoeven in Sachen Handlung so wie einst auch Whale bei H. G. Wells (was durchaus zulässig ist), so beklaut er sich punkto Umsetzung letztendlich selbst. Und das ist anläßlich der unbestrittenen Verwandtschaft zu einem Projekt, daß vor rund 70 Jahren in Hollywood einiges in Bewegung brachte, mehr als schade...
Aber wenden wir uns dem Original zu: Hatte - wie bereits erwähnt - der eine für seinen "Hollow Man - Unsichtbare Gefahr" sämtliche Möglichkeiten digitaler Technologie zur Verfügung, mußte sieben Jahrzehnte davor der andere noch einiges an Hirnarbeit zur Realisierung seines Regiekonzepts investieren. Und James Whale, der legendäre Schöpfer des cinematographischen Frankenstein, hatte tatsächlich eine Reihe kniffliger Probleme technischer Natur zu lösen, bevor er darangehen konnte, Wells´ Roman "The Invisible Man" auf Zelluloid zu bannen. Zwar mochten die Prämissen im Sinne der technischen Umsetzung gegeben gewesen sein, doch hatte sich freilich bis dahin noch niemand an ein derart schwer zu realisierendes Projekt gewagt: einen Mann unsichtbar zu machen und ihn trotz aller Transparenz äußerst spürbar mit seiner Umwelt in Interaktion treten zu lassen. Was dem gegenwärtigen (unter- oder auch über-) durchschnittlichen Regisseur ein Lächeln kostet, gestaltete sich in den 30er Jahren als wagemutiges Experiment, für das es bei weitem mehr bedurfte, als hurtig ein paar 3D-Effekte zusammenzubasteln...
Und jetzt zur Ausgangssituation, die sich in den Grundzügen mit Verhoevens Remake deckt: Der Chemiker Dr. Jack Griffin (bei Verhoeven ist es übrigens ein Dr. Caine) hat ein Serum entwickelt, das organische Strukturen unsichtbar macht. Zwar gelingt Griffins erstes waghalsiges Selbstexperiment, nur dummerweise läßt sich der Zustand der Unsichtbarkeit nicht rückgängig machen. Bei seinen Versuchen, im Gästezimmer eines Dorfgasthauses in die Welt der Sichtbaren zurückzukehren, wird Griffin bei der Entwicklung eines Gegenserums gestört. Die hysterische Wirtin, die Weiß-Gott-wen hinter dem mit Bandagen vermummten Gast vermutet, drängt auf sofortigen Auszug des unheimlichen Mieters. Doch Griffin hat wahrlich Besseres zu tun, als erneut auf Zimmersuche zu gehen.
Kurz und gut: Was den Doktor anfänglich aus dem Konzept bringt, fördert letztendlich die Niederkunft eines wenig sympathischen geistigen Kindes, das im Rahmen der ersten massiven Konfrontation mit Frau Wirtin in den Brunnen fällt. Wenn sich der leidige Zustand der Unsichtbarkeit schon nicht rückgängig machen läßt, warum nicht gleich das Unangenehme mit dem Nützlichen verbinden und die Weltherrschaft anstreben? Klingt verrückt? Ist es auch, denn Dr. Griffin hat bei aller beachtlichen Geistesakrobatik eines nicht bedacht: Das von ihm entwickelte Gebräu beeinträchtigt nicht nur die Körperzellen, sondern auch den an sich friedliebenden Forschergeist. Mit anderen Worten - das Schicksal nimmt seinen Lauf, und zwar auf eine bis dato noch nie auf der Kinoleinwand gesehenen Weise.
Für den "Unsichtbaren" entwickelte Regisseur James Whale mit seinem Stab zahlreiche Tricks, die bis heute in der Praxis der Illusionsfabriken weit verbreitet sind. Teils simpler mechanischer, teils raffinierter phototechnischer Natur, lassen sie Verhoevens plumpe digitale Abkupferei, für die - so nebenbei bemerkt - in Zeiten wie diesen nicht sonderlich viel Pioniergeist vonnöten ist, im Grunde genommen blaß aussehen. Whales vorletztes Meisterwerk, bevor Universal zum "King of the B-Pictures" abrutschte, soll vor allem jenen ans Herz gelegt sein, deren Talent zum Staunen angesichts des allerorten vorherrschenden abgelutschten Remake-Unfugs empfindlich gelitten hat. Es ist durchaus wieder Zeit, naiv zu fragen: "Teufel auch, wie haben die das bloß gemacht?!", ohne deshalb gleich an Bits und Bytes zu denken. Und den Unverbesserlichen sei abschließend noch ein durchaus zulässiger Vergleich auf den Weg ins neue Kinojahrtausend mitgegeben: Einen Breitreifen für einen beliebigen Sportwagen der Mittelklasse zu produzieren ist eine Sache, das Rad zu erfinden eine andere.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen...
Herzlichst, Ihr