Hier geraten nicht nur eingefleischte Couch-Potatoes ins Schwärmen. Martin Compart stellt alle Krimiserien vor, die jemals im deutschsprachigen Fernsehen gesendet wurden - und noch vieles mehr.
Normalerweise holt man Nachschlagewerke im Bedarfsfall aus dem Regal, bläst den Staub vom Einband und sucht solange darin herum, bis man die gewünschte Information endlich gefunden hat. Danach stellt man das Buch wieder zurück in die heimische Bibliothek. "Crime TV", Martin Comparts neuestes Geschenk an eingefleischte Crime-buffs erfüllt diesen Zweck ebenfalls. Allerdings mit einem kleinem Unterschied: einmal hineingeschnuppert, muß man es einfach von der ersten bis zur letzten Seite lesen.
Hat man das etwas zu vergeistigte Vorwort von Horst Königstein erst einmal überflogen, begibt man sich auf Seite acht bereits ins "Compartsche Universum". Eine kurze Einleitung, die sich für viele wie ein Resümee der eigenen TV-Kindheit lesen wird (wahrscheinlich variieren Namen und Serientitel nur altersbedingt ein wenig), und schon eröffnen sich dem Leser an die gut 450 Seiten voller Serieneinträge, Kurzbiographien, Genrebegriffen sowie Verweise in die literarische Welt.
Kultserien wie "Mit Schirm, Charme und Melone", "Die Profis", oder "Department S" finden sich in "Crime TV" ebenso wie Klassiker à la "Chicago 1930" oder "Auf der Flucht". Auch die zahlreichen Ausgeburten der achtziger Jahre werden hier aufgearbeitet; ob nahe an der Genialitätsgrenze ("Miami Vice", "Mike Hammer", "Magnum"), belanglos-amüsant ("Trio mit vier Fäusten", "Hart aber herzlich", "Agentin mit Herz") oder eher stumpfsinnig ("Hardcastle & McCormick", "Knight Rider", "A-Team") - alle sind sie hier vertreten. Ohne sich auf reinrassige Krimiserien zu versteifen, wurden Genrebastarde aus den letzten Jahrzehnten, wie "Akte X" oder "MacGyver", genauso integriert wie humoristische Beiträge vom Schlage eines "Sledge Hammer".
Comparts Sammelsurium aus Trash, Qualitätsware und Blödheit reicht bis zum Jahr 2000. Dabei beschränkt sich der Autor nicht etwa auf US- oder UK-Produktionen, sondern greift selbstverständlich auch japanische Kuriositäten und deutschen Schund auf. Wenn man bedenkt, durch wieviel Material sich Compart für diese "Bibel" wohl gewühlt haben muß, könnte einem schlecht werden. Allein der Gedanke an all den von deutschen TV-Sendern produzierten Einheitsmüll der Neunziger treibt einem förmlich den Angstschweiß auf die Stirn. Etwaige Ausnahmen (?) bestätigen die Regel.
Um "Objektivität" ging es Martin Compart bei seinen unzähligen Einträgen allerdings nur begrenzt. In "Crime TV" wird hemmungslos gepriesen, süffisant belächelt oder zynisch zerfetzt. Wer mit Comparts Schaffen ein wenig vertraut ist, wird Beispiele wie die folgenden zu schätzen wissen:
"In Deutschland wurde die Serie zum Dauerbrenner unter verhaltensgestörten Kindern."
("Knight Rider")
"Eher ähneln Tappert und sein feister Kokainassistent einer kleinstädtischen Ausgabe von Dick und Doof."
("Derrick")
Interessante Querverweise, die Bezugnahme auf den jeweiligen zeitlichen/sozialen Kontext einer Serie sowie viele witzige Details am Rande machen aus dem ohnehin schon gelungenen Werk eine absolute Pflichtanschaffung. Compart stellt mit "Crime TV" erneut seine umfangreiches Sachkenntnis des Genres (und darüber hinaus) unter Beweis. Noch nie wurde im deutschen Sprachraum ein so umfassendes und vor allem gelungenes Werk über all die unzähligen Krimiserien veröffentlicht.
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